Furor und Blässe
Vor zehn, 15 Jahren schrieb Samir Odeh-Tamimi ziemlich aggressive und kraftvolle Musik. Insofern war es naheliegend, ihm mit einem Auftragswerk für die "Furor" überschriebene Saison des Münchener Kammerorchesters zu beauftragen. Aber die Wut des 1970 bei Tel Aviv geborenen Komponisten scheint verraucht zu sein, und sein "Melancópion" für Streicher "mit theatralischen Elementen" wirkte forciert.
Das Orchester versammelte sich im Halbkreis auf dem Podium des Prinzregententheaters. Im Vordergrund gab eine Geigerin unverständliche Laute von sich und schlug mit Steinen aufeinander. Das ist mittlerweile ein Sehnsuchts-Klischee der Rückkehr zum Archaischen und Ursprünglichen, das im Umfeld europäischer Kunstmusik vor allem gewollt wirkt.
Dann marschierten die Streicherinnen und Streicher über die Bühne. Klänge wanderten im Kreis, hin und wieder verdichteten sich Pizzicati zum Geräusch.Wer derlei zum ersten Mal sieht und hört, mag solchen Performances etwas abgewinnen, erfahrene Besucher dürften sich bei der hundertsten Aktion dieser Art mittlerweile langweilen. Und die Antike kehrt auch nicht wieder, wenn man sie auf diese Weise noch so oft kunstgewerblich beschwört.
Fragile Damen
Dann erschien Elsa Benoit, die in ihrer Zeit an der Bayerischen Staatsoper auf eher fragile Rollen abonniert war. Ihr Sopran ist noch immer lyrisch, aber sie verfügt über maßvoll dramatische Reserven für Musik des 18. Jahrhunderts. Benoit ließ göttlichen Zorn in einer Motette von Antonio Vivaldi aufkochen, beruhigte sich im Dialog mit der Oboe in einer Arie aus Händels "Agrippina" und versöhnte Wut mit Schmerz in einer Konzertarie von Mozart. Als Zugabe sang sie das Lamento aus Purcells "Dido and Aeneas" und demonstrierte, dass ihr die fragilen Damen doch am nächsten liegen.
Das Münchener Kammerorchester begleitete die Sopranistin stilistisch eher undogmatisch. Nach der Pause leitete Daniel Giglberger noch eine sehr energische Aufführung der "Variations on a Theme of Frank Bridge" von Benjamin Britten. Wer das Stück als brave neoklassizistische Spielerei in Erinnerung hatte, wurde angenehm überrascht: Es ist tatsächlich ein furioses Stück, ganz ohne die britisch-blasse Noblesse, die andere Stücke dieses Komponisten sonst auszeichnet.
Am 8. Februar dirigiert Jörg Widmann um 20 Uhr im Prinzregententheater neben eigenen Werken Musik von Weber, Mendelssohn-Bartholdy und Korngold, Infos und Karten unter www.m-k-o.eu