Furios: Das Violinkonzert von Bryce Dessner

Wenn im Klassik-Zusammenhang von Bryce Dessner im Klassik die Rede ist, fehlt nie der Hinweis, dass er auch Gitarrist der Indie-Rockband The National sei. Auch wenn sich seine Musik eher am amerikanischen Minimalismus orientiert, hat sie doch dank dieser Beziehung eine ungewöhnliche Power, die zeitgenössischem Komponieren sonst eher fremd ist.
Das Münchener Kammerorchester hat bei Dessner eine reduzierte Fassung seines vor drei Jahren entstandenen Violinkonzerts in Auftrag gegeben. Auch sie plättet den Hörer mit ihrer Energie und provoziert anschließend stehenden Beifall, den sich der eine Unmenge an Sechzehntelnoten abzuarbeitende Geiger Pekka Kuusisto redlich verdient hatte.
Kraftakt für einen Geiger
Der fast ununterbrochen aktive Solist spielt schnelle Figuren über rasch wechselnden Klangflächen des Orchesters, die sich schlüssig auseinanderentwickeln. Die Violinstimme schwebt über der Begleitung, verliert sich in ihr und taucht wieder aus dem Klang hervor. Bisweilen scheint der Solist auch musikalische Bewegungen im stets vorwärtsdrängenden Fluss auszulösen - eine intelligente Übertragung des traditionellen Konzertierens auf minimalistsche Formen.
Das Konzert wirkt lange einsätzig, weil es schwer vorstellbar scheint, dass auf den Kraftausbruch des Kopfsatzes noch etwas folgen könnte. Doch dann geht ein längeres, den Klangraum vom Flageolett bis in die tiefste Lage auslotendes Solo in eine ruhigere, improvisiert wirkende Passage über. Zuletzt entwickelt sich aus glockenartigen Orchesterschlägen eine wuchtige Steigerung, die das Konzert überraschend schnell zu Ende bringt und den Beginn auf einer höheren Ebene tatsächlich überbietet.
Finale für den Furor
Manches erinnert bei diesem gelungenen Stück an das ebenfalls minimalistische Violinkonzert von John Adams. Aber Dessners Orchestrierung ist farbiger und abwechslungsreicher. Zum Saisonmotto "Furor" des Münchener Kammerorchesters passte dieses Werk jedenfalls perfekt, und das Publikum hatte erst nach zwei kauzigen folkloristischen Zugaben des Geigers wirklich Lust auf die Pause.
Davor verstand Enrico Onofri die Ouvertüre zu Luigi Cherubinis "Medée" richtigerweise als explodierendes 18. Jahrhundert und nicht als verfrühte Romantik. Danach gab es Beethovens "Eroica" in der - überraschend kleinen - Orchesterbesetzung der Uraufführung, stets stürmisch nach vorn drängend. Im Trio des Scherzos schmetterten die Hörner effektvoll, das Solo in der Steigerung des Trauermarschs verlor sich ein wenig in der Verdopplung durch die beiden Klarinettisten. Das oft wechselnde Tempo des Finales steigerte sich natürlich und zugleich effektvoll. Der Beethoven des Münchener Kammerorchesters war schon immer gut, aber er ist unter Enrico Onofri doch noch besser geworden.
Infos zur kommenden Saison mit dem Motto "Nachtwache" unter www.m-k-o.eu