Frédéric Chopin mit Video: Im Samt-Ton der Beschwichtigung

München - Musik und ihre Illustration - Wasser und Öl. Zwar hebt Alice Sara Ott am Schluss ihres Klavier-Rezitals hervor, wie gut die Koordination zwischen ihrem Klavierspiel und den Videos des türkischen Architekten Hakan Demirel geklappt hat.
Doch für das Publikum stellt sich an keiner Stelle eine nachvollziehbare Verbindung zwischen der Musik und den halb abstrakten, halb stilisierten Bildern her, die auf den Bühnenhintergrund des Prinzregententheaters projiziert werden.
Sie verbindet Romantik mit Moderne
Was haben digitale, schemahafte Zeichnungen von Bauwerken mit Frédéric Chopin zu tun? Zusätzlich zur eher ablenkenden Filmspur hat Alice Sara Ott ihr Programm noch mit einer zweiten konzeptionellen Ebene überlagert. Unter dem Titel "Echoes of Life" versetzt sie die 24 Préludes von Chopin, die sie in kleine Gruppen aufteilt, mit sieben modernen Stücken.
Erst Ligeti, dann Kuschel-Pop
Zwei von diesen sind seriöse Kompositionen: Die "Litany" von Toru Takemitsu passt in ihrem meditativen Habitus am besten zum Titel. Den ersten Teil der "Musica Ricercata" von György Ligeti hämmert Alice Sara Ott mit gebührender Rücksichtslosigkeit in den Flügel. Der Rest ist Kuschel-Pop, über den wir das Mäntelchen des Schweigens ausbreiten wollen: Für diese Produkte ist das tatsächlich ein passendes sprachliches Bild.
Bleibt Chopin. Paradoxerweise zeichnen die Préludes ein uneinheitliches Bild, gerade weil Alice Sara Ott sie alle in ein eher einheitliches Licht taucht.
Für die schnellen Nummern hat sie die technische Brillanz. Doch nicht immer holt sie die Härten, die diese Musik haben kann, so konsequent hervor wie die trommelartigen Finalschläge des letzten Préludes.
Die Art zu Spielen verwischt so manche Kontur der Musik
Das Agitato, das Chopin in dieser Sammlung allein dreimal vorschreibt, steigert sich nicht zur echten Aufregung, so, wie die revolutionären Anklänge eher beschwichtigt werden: alles nicht so schlimm. Hier, aber besonders auch in den langsamen, reflektierenden, traurigen Stücke wie dem "Regentropfen"-Prélude Des-Dur, verwischen Alice Sara Otts supersubtiler Samtton in Kombination mit ihrem großzügigen Pedalgebrauch manche Kontur.
Die Gesanglichkeit ihres Spiels ist unbestritten. Aber auch die feinfühligste Melodie braucht einmal eine gliedernde Pause. Und sei es nur, um Atem zu holen und dann neu ansetzen zu können.
Die CD "Echoes of Live" erschien bei der Deutschen Grammophon.