Fortsetzung mit Daniil Trifonov und Valery Gergiev
Als ob sein Flügel mit offenen Rollen auf einer steil abschüssigen Bahn stehen würde, haut Daniil Trifonov vor dem Orchester ab, kaum, dass seine verdächtig einfache Eröffnungsmelodie verklungen ist. Momentweise ist der Solopart sogar richtiggehend verschoben zur Begleitung des Mariinsky Orchesters St. Petersburg unter Valery Gergiev: Motive von Klavier und Bläsersolisten, die gleichzeitig kommen, miteinander kommunizieren sollten, reden aneinander vorbei. Das ist auch Gergiev anzulasten, der seinem Solisten zwar an Expressivität nicht nachsteht, mit dem Orchester jedoch weit hinter Trifonovs Präzision im Traumatischen zurückbleibt.
Für jeden Solisten ist es wichtig, sich vom Orchester abzuheben, um seine Eigenständigkeit anschaulich zu machen. Doch Trifonov macht in seiner atemberaubenden Realisierung von Sergej Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 d-moll nicht weniger als einen mitreißenden Befreiungsprozess durch. Von diesem Ausbüxen aus dem trügerisch moderaten Anfang bis hin zur monumentalen Solokadenz des Kopfsatzes führt eine einzige Bewegung. Man könnte auch von einem anhaltenden Fluchtversuch sprechen. Die seelische Erregung teilt sich hier fast ohne artistische Vermittlung mit, man spürt eine Angst, die für ein Virtuosenkonzert fast zu tief wirkt. Sie entlädt sich in der berühmten Kadenz.
Ein bißchen g'schlampert
Schier unendlich hält der Ausbruch mit unverminderter Gewalt an, wird dann klug ein wenig gedämpft, um sich noch einmal auf beklemmende Weise zu steigern. Der junge Russe durchlebt dieses Werk als ein existentielles, im Gegensatz zu den an den vorhergehenden Abenden meisterhaft vorgestellten, doch in Kunst übersetzten Klavierkonzerten Nr. 1 und 4 des Komponisten. Es bleibt denn hier auch Erschütterung zurück, die in den folgenden Sätzen nicht bewältigt wird: Der Walzer im Mittelteil des „Intermezzos“ wird ungemütlich grell getanzt, im Finale ertönen im Klavier unheimliche Glocken, die partout nichts Festliches ausstrahlen wollen.Das Publikum in der Philharmonie zollt mit stehenden Ovationen Anerkennung für diese Schonungslosigkeit.
Trifonov hätte eine besser vorbereitete Begleitung verdient gehabt. Zwar lässt Gergiev die Tempoübergänge organisch auseinander hervorgehen, doch unzählige Details in Dynamik und Artikulation
werden ignoriert, es geschehen unschöne Patzer quer durch die Gruppen. In Rachmaninows diffiziler Symphonie Nr. 3 a-moll, wo kein Solist ablenkt, ist dieser Wildwuchs eigentlich nicht mehr in Ordnung. Daran kann auch der von den Münchner Philharmonikern ausgeborgte Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici nichts ändern. Mangelte es an Probenzeit?