Fettes Brot spielt letztes Konzert in München: La-Ola-Wellen und Abschiedstränen
Wie? Fettes Brot löst sich auf und spielt die Abschiedstournee? Dabei haben sie sich doch gerade erst gegründet, oder? Manchmal vergeht die Zeit wie im Flug und es stimmt etwas traurig, wenn eine vertraute Band nach über dreißig Jahren einen Schlussstrich zieht und zwei ausverkaufte Abende im Zenith wie einen gut produzierten TV-Zweiteiler inszeniert. Die Setlist bleibt gleich, jedoch die Zwischentexte und Ansagen werden geschickt arrangiert, so dass auch Besucher, die beide Konzerte besuchen, voll auf ihre Kosten kommen.
Wie es sich gehört, legt vor der Show erstmal ein DJ auf. Er scratched und sampelt wie Grandmaster Flash und bietet einen feinen Einstieg in den Abend samt Public Enemy und Fünf Sterne deluxe. Bevor der riesige Vorhang fällt, zieht nochmal das Leben der Band wie ein Film vorbei, gezeigt werden unzählige Aufnahmen der vergangenen Jahrzehnte, zuletzt das Fettes Brot-Logo im Stile einer Piratenflagge, nur das der Totenkopf durch eine etwas mitgenommene Musikcassette und die Knochen durch zwei in die Jahre gekommene Mikrofonständer dargestellt werden.
Fettes Brot: Den Schalk im Nacken und den Wortwitz im Blut
Wie alle guten Vertreter der alten Hamburger Hiphop-Schule haben auch die drei immer noch sehr jugendlich und übermütig rüberkommenden Jungs König Boris, Björn Beton und Dokter Renz schon seit jeher den Schalk im Nacken und den Wortwitz im Blut.
Als sie vor einem Vierteljahrhundert nach mehreren Megahits wie "Nordisch by Nature" und einer bombastischen Tour durch die großen Hallen der Nation ihre "Spiel mir das Lied vom Brot"-Tour beendet hatten und Bock bekamen, zu ihren Wurzeln zurückzukehren und in kleineren Clubs aufzutreten, setzten sie die Tournee fort und gastierten einige Monate unter dem Namen "Sven, Sven & Sven". Die fröhliche Unbekümmertheit der Rapper tut extrem gut, auch ihr Hang nach Quatsch, ihr frecher Kiezjargon und die üppigen Beats sind Balsam für alle Freunde des gepflegten Sprechgesangs.

Um auch gleich den nötigen Hamburger Flair zu verströmen, ertönt zum Konzertbeginn das Geräusch eines Dampfer-Horns. Aus dem Dunkel löst sich auf der Bühne die Silhouette eines Schiffs namens "Yasmin", darüber fliegt eine gigantische Möwe, im Hintergrund Fragmente des Hamburger Hafens. An Bord stehen die drei flotten Frontmänner, links und rechts davon flankiert von einer knackigen Band, die die Klänge von Chris Barbers "Earth Abides" spielt.
Konzert von Fettes Brot: Start mit dem wohl berühmtesten Lied
Sämtliche Fans fangen an zu jubeln, wissen sie doch, dass gleich der erste Song des Abends das wohl berühmteste Lied der Gruppe sein wird: JEIN. Ein absolut gelungener Start in einen Abend voller Nostalgie, Eskalation und unbekümmerter Abschiedsatmosphäre. Auch das liegt den Hanseaten, auf die Schulter klopfen, ein kerniger Blick in die Ferne, ein kurzer Spruch wie: "War doch ne schöne Zeit" und dann ab in die Weltmeere. Hans Albers hätte es nicht anders gemacht.
Die Zuschauerschaft wird auf eine liebenswerte Weise auf den Arm genommen, etwa, indem am zweiten Abend die La-Ola-Welle, die nach Möglichkeit der Grafik aus dem Nokia-Spiel "Snake" ähneln sollte, die Welle des Vorabends übertreffen und "um die Säule herum" führen muss, um die gestrigen Fans zu übertreffen. "Wir haben den direkten Vergleich! Immerhin habt ihr eine Universität. Das schafft ihr schon!" Es misslingt, was der enormen Stimmung aber keinerlei Abbruch tut.
Die Brote sind auch mit fast Fünfzig noch unglaublich beweglich und tänzeln wie Bardamen auf der Reeperbahn geschmeidig auf und ab. Gewürzt werden beide Abende mit charmanten, teils sentimentalen Liebeserklärungen an befreundete Bands wie Blumentopf und explizit an das Münchner Publikum, etwa als König Boris sagt: "Ihr habt Träume wahr werden lassen, von denen wir nie glaubten, dass man sie träumen kann."

Anschließend gleich wieder ein frecher Spruch: "Super, dass Ihr ganz normale Klamotten angezogen habt, die dreckig werden können", gefolgt von: "darunter bestimmt blitzsaubere Unterwäsche, die wir ja hoffentlich heut noch zu sehen bekommen."
Zwischendurch Statements wie: "Ich habe nie etwas Ordentliches gelernt, außer mit dem Autoscooter rückwärts einparken." und "Als Jugendlicher hab ich mal aufgeschrieben, was ich alles machen werde, wenn ich berühmt bin. Nun bin ich berühmt und mach immer noch das gleiche wie immer." Das Motto lautet: "Eine lustige Reise auf dem Dampfer der guten Laune."
Geile Bässe, geile Samples, geile Lichtshow
Dank des festen Untergrunds der Halle wird niemand seekrank, die Fans aller Altersklassen nicken wippend mit den Köpfen, hüpfen, rappen und grooven über zwei Stunden begeistert mit und lassen sich mit hübschen Späßchen berieseln wie: "Wir bleiben ewige Jugendliche und schaufeln uns lieber mal unser eigenes Grab, bevor wir unsere eigenen Wachsfiguren bei Madame Tussauds einweihen werden."
Die Brote haben immer wieder gekonnt berühmte Hits gecovert und im eigenen Sinne umgetextet, aus dem Clash-Klassiker "London Calling" wird "Hamburg Calling", aus Insterburgs "Ich liebte ein Mädchen" wird "Für immer immer", aus Clowns & Heldens "Ich liebe dich" wird "Ich liebe mich", aus Steve Millers "The Joker" wird "Ich bin ein Großer, bin ein Spinner, ich häng als Poster in deinem Zimmer."
Geile Bässe, geile Samples, geile Lichtshow. Unglaublich, wie viele Hits die Brote geschrieben haben. Ein kurzes Quiz lässt die Fans berühmte Lieder aus diversen Epochen erraten und vorsingen. Bros und Elvis hinkt ein wenig, aber bei "Skandal im Sperrbezirk" lässt sich die Meute nicht bändigen und singt quasi das gesamte Lied A cappella von vorn bis hinten durch. Bei "Emanuela" wird die Stimmung von Dokter Renz in einem Einmachglas aufgefangen, während die Bier-Plastikbecher auf dem Tresen vibrieren.
Kurz vor dem Ende der Show lösen die Brote wohlige Schauer aus, indem sie zu dritt auf die Bühne gehen und im kleinen Set Beispiele geben, wie es sich angehört hätte, wenn sie als Amateure im Jugendzentrum geprobt hätten. Im Finale erklingt "An Tagen wie diesen", ein Song, der nichts mit dem Lied der Toten Hosen zu tun hat und einige Jahre zuvor produziert wurde. Hier übernimmt der Brote-Sidekick Pascal Finkenauer mit fester, klarer Stimme den Leadgesang zu den angeknipsten Taschenlampen der Smartphones und einem einzigen Feuerzeuglicht einer weiblichen Zuschauerin.
Fettes Brot im Zenith: Vicky Leandros zum Abschluss
Und nach der aller-allerletzten Zugabe "Schwule Mädchen", noch bevor das Saallicht wieder angeht, ertönt aus den Boxen Vicky Leandros und lässt die eine oder andere Abschiedsträne fließen: "Nein, sorg dich nicht um mich, Du weißt, ich liebe das Leben. Und weine ich manchmal noch um dich, das geht vorüber sicherlich. Was kann mir schon gescheh'n? Glaub mir, ich liebe das Leben. Das Karussell wird sich weiterdrehn, auch wenn wir auseinandergehn." Danke, dass es euch gab, Fettes Brot!