Es schläft ein Beat in allen Maisröllchen

Am 1. November spielen Haindling im Circus Krone. Hans-Jürgen Buchner spricht über knusprige Rhythmen und die Zweitverwertung von Pizzaschachteln
Christian Jooß |
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Am 1. November spielen Haindling im Circus Krone. Hans-Jürgen Buchner spricht über knusprige Rhythmen und die Zweitverwertung von Pizzaschachteln.

Ein Anruf in Geiselhöring nahe Straubing. Genauer in das winzige Örtchen Haindling bei Geiselhöring. Hans-Jürgen Buchner geht ans Telefon – bayerischer Pop-Pionier und Gründer der Gruppe Haindling. Es wird ein Interview, das in Teilen Hörspiel ist. Aus seinem Studio schickt Buchner Klänge durch den Hörer. Seltsam bezaubernd. Am 1. November spielt er mit Band im Circus Krone.

AZ: Wie sieht Ihr Studio aus?

HANS-JÜRGEN BUCHNER: Es ist im ersten Stock, in einem 400 Jahre alten Haus. Früher war das ein Tanzsaal. Eine Aufnahmekabine ist darin. Ein Flügel. Ein Mischpult, mehrere Keyboards, Saxofone, Tenorhörner, Trompeten, Klarinetten, Posaunen, Bassklarinette, Percussion aus aller Welt, ein Monochord, türkische Instrumente, vietnamesische Instrumente, Gitarren, eine Geige von meinem Vater, ein Kontrabass, chinesische Gongs und ein Gamelanorchester.

Was ist das denn?

In Bali beispielsweise sieht man die Musiker knien und wie sie auf einer Art Metallxy-lophon und kleinen Kesseln spielen.

Haben Sie aktuell ein Lieblingsinstrument?

Das sind mehrere. Ich fasse täglich meine Dulcimer an, ein irisches Saiteninstrument. Und immer, wenn ich vorbeigehe, streiche ich mit den Fingern über das Monochord und haue im Vorbeigehen auf die Trommeln und die Klangschalen. Das ist praktisch ein musikalischer Gang, wo ich jeden halben Meter einen anderen Klang erzeugen kann.

Sie sind auch Töpfer und langen gerne Dinge an.

Neulich war ich auf einer Ausstellung in Sardinien. Da war ein großer Vogel mit lauter Metallteilen. Ich hab’ dann meinen Schlüssel herausgenommen und bin an den Metallteilen entlanggefahren. Gottseidank war gerade niemand da. Ich habe das dann aufgenommen. Überall, wo man irgendwelche Klänge hört, da hau’ ich drauf.

Auch auf Pizzaschachteln.

Pizzaschachteln tun mir immer leid zum Wegschmeißen. Wenn die leer sind, klapp’ ich sie zusammen, hau’ drauf und merk’, dass das eine recht schöne Basstrommel wäre. Jetzt stehe ich gerade vor der Pizzaschachtel und so einem Warmhaltealuminiumteil. Das klingt auch recht schön. Wasserflaschen, Volvic, die klingen wunderbar. Jetzt habe ich gerade „Mais Rolls Tomate“ in der Hand. So kleine Röllchen, wie Chips. Da möchte ich jetzt eine Percussion machen, wo ich die Chips als Rhythmus kaue.

In den 80ern hatten Sie mal einen TV-Auftritt mit „Lang scho nimmer g’sehn“. Sie haben sich umgedreht und auf einem Kinderklavier gespielt. Haben Sie das auf Platte tatsächlich so aufgenommen?

Natürlich. Ich bin gerade an dem Kinderklavier angelangt. Ich habe mehrere, aber das ist das Original.

Wann ist der Haindling-Sound eingerastet?

Der ist eigentlich am Klavier entstanden. Und dann habe ich mir meinen Wunsch erfüllt und habe mir ein Saxofon und ein Tenorhorn gekauft. Die Mischung mit Moog-Synthesizer-Bass – das war der Haindling-Sound.

Habe Sie die Sehnsucht, noch einmal, wie damals in Ihrer Jugend, etwas zu hören, was Sie von den Socken haut.

Den Wunsch hätt’ ich schon lang. Aber das muss ich mir halt selber erfüllen. Ich habe damals gesagt, ich möchte nicht abhängig sein von der Musik, die im Radio gespielt wird oder die im Plattenladen verkauft wird, sondern ich möchte meinen eigenen Sound in meinem Auto per Kassette hören. So habe ich mir ein Vierspurgerät gekauft – Bass, Keyboard, Blasinstrumente und Gesang. Das hat gereicht.

Sie haben ständig den Drang nach Neuem?

Ich habe früher sogar meine Ski selber bemalt, weil ich von meinen Eltern keine neuen bekommen habe. Ich wollte eigentlich immer etwas anderes haben, als die andern.

Wann gibt es ein neues Haindling-Album?

Wenn ich Lust habe, das zu verwerten, was ich alles gesammelt habe. Aber ich habe ja auch Spaß an Musik, die nicht unbedingt Haindling-typisch ist. In letzter Zeit gefallen mir Loop-Produktionen recht gut, wo ich mit dem Flügel jazzig dazuspiele. Ich weiß ja nicht, ob mir das meine Fans verübeln, oder ob ich das einfach machen soll. Aber natürlich steht im Vordergrund meine nachdenkliche, etwas politische Welt.

In welche Richtung geht es denn bei Ihnen politisch?

Ich bin seit 45 Jahren beim Bund Naturschutz. Natürlich mache ich mir Gedanken über die forcierte Naturzerstörung, weil es anscheinend jetzt wurscht ist. Die letzten Ressourcen werden aus der Erde rausgepumt, und dann ist Schluss. Das kommt mich hart an. Und mich kommt es auch hart an, dass der Mensch so wurschtig geworden ist, dass er sagt, Hauptsache mir geht’s noch einigermaßen gut. Das ist ein Standpunkt, der den Politikern und der Wirtschaft alles erlaubt, was sie sich vorstellen.

 

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