Entsetzen, Angst und Zerknirschung
Seine Frau musste es wissen: „Er ist nicht gerade ein Atheist, doch er hat wenig von einem Gläubigen, und das vertritt er mit einer Hartnäckigkeit, dass man ihn manchmal schlagen möchte“, heißt es in einem Brief. Ihr Fazit über den Komponisten: „Es gibt tugendhaftere Naturen.“
Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ wird deshalb trotz des tröstlichen Beginns weniger von liturgischen Notwendigkeiten beherrscht als von jenen musikalischen Gebärden, die von Entsetzen, Angst und Zerknirschung künden. Für Riccardo Muti, die Wiener Philharmoniker und den Wiener Staatsopernchor Anlass genug, Muskeln zu zeigen. Geradezu brutal die Klanggewalt, mit denen Chor und Orchester im „Dies irae“ die Vision des Jüngsten Gerichts heraufbeschworen. Dass selbst in Salzburgs Großem Festspielhaus die Akustik nicht optimal ist, war unüberhörbar. Lautes erklang deftig lärmend, das Leise oft allzu direkt.
Die Differenzierung blieb den Solisten überlassen. Mit Krassimira Stoyanova (Sopran), Elina Garanca (Mezzo), Piotr Beczala (Tenor) und Dmitry Belosselskiy (Bass) hatte sich Salzburg einige der Besten ausgesucht – dennoch blieben Wünsche offen. Das Quartett präsentierte sich reichlich unausgewogen. In unbegleitet gesungenen A-cappella-Passagen gab es Unsicherheiten in der Intonation. Dem verzweifelten Aufbäumen des Soprans gegen die Unerbittlichkeit des Schicksals („Libera me“) fehlte die Dramatik. Das „Ingemisco“, ein inniges Gebet, wurde auf opernhafte Tenor-Effekte reduziert. Cool, aber überzeugend, Mezzo und Bass: Zu ihnen passten die lyrischen Stimmen der beiden Kollegen nur bedingt.
Dem Festspielpublikum ging es vor allem darum, Riccardo Muti zu feiern. Längst genießt der Maestro Heimrecht. Auch diesmal ließen sich der beherzte Zugriff und die Souveränität bestaunen, mit denen er die vielfältigen Ausdrucksmittel der Partitur umsetzte. Opern-Pathos und Sentimentalität blieben ausgespart. Und das war schon eine ganze Menge.