Entblößte Seele
Es wäre so einfach, die Engdenker-Pose einzunehmen und Natalia Klitschko mitsamt ihrer ersten CD „Naked Soul“ in deutscher Abstempel-Mentalität als Kunstprodukt zu stigmatisieren. Die Schublade Boxer-Frau und Politiker-Gattin versucht sich als Gesangs-Akrobatin (zumindest nicht als Schmuckdesignerin) auf, Schublade zu. Es wäre so einfach. Es wäre so falsch.
Denn auf „Naked Soul“ offenbart sie ebendiese nackte, entblößte, verwundbare Seele. Die Musik ist eine Melange aus Jazz, Soul, Latino-Klängen, Lounge. Subtil, zurückgenommen, unaufgeregt, authentisch. Über allem thront die klare, leicht angeleske Stimme von Klitschko. „Meine Musik ist alles. Es gibt keine Kategorien, keine Grenzen. Es ist alles – außer Pop“, sagt Klitschko, die Ehefrau des früheren Schwergewichts-Boxweltmeisters und jetzigem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, der AZ.
"Musik ist Emotion"
Seit gut vier Jahren nimmt Klitschko, die aus einer Musikerfamilie stammt – der Vater war Jazz-Schlagzeuger, die Mutter Chorsängerin – Gesangsunterricht. „Erst dachte Vitali, dass es nur ein Hobby ist, aber er hat bald bemerkt, wie ernst und wichtig mir es damit ist“, sagt die 41-Jährige über ihren Mann, Dr. Eisenfaust, dessen Lieblingslied übrigens „Hotel California“ von den Eagles ist. Natalia Klitschko singt auf „Naked Soul“ - bis auf eine Ausnahme – ausschließlich russisch oder ukrainisch.
„Musik ist Emotion und die transportiere ich. Ich höre viele französische oder spanische Lieder, deren Worte ich nicht verstehe, den Inhalt aber schon. Ich singe in der Sprache, die meinem Herzen am nächsten ist – und die Sprache des Herzens wird von allen verstanden“, sagt Klitschko, „Gesang gehört einfach zu allen slawischen Völkern hinzu, wenn wir zusammenkommen und feiern, dann singen wir. Das entspricht unserer Volksseele.“
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Klitschko, die Volksseelensängerin intoniert Songs voller Sehnsucht, voller Wehmut. „Wir slawischen Völker haben einen Hang zur Melancholie, zur Dramatik“, sagt Klitschko. Melancholie und Dramatik – das führt dann eben zu Melodramatik. „Es sind Lieder über die Liebe. Große Lieben, kleine Lieben, alte Lieben, neue Lieben“ sagt Klitschko.
Das Russische, das gesprochen so hart, so unmelodisch, so stakkatohaft, so unromantisch klingt, erhält im Mantel des Liebesliedes einen ganz speziellen Reiz, der auch die Attraktion dieses Albums ausmacht. Wenn Klitschko etwa auf „I Know“, „Not A Girl“ oder „I Close My Eyes“ singt, haucht, wispert, flüstert, dann mutiert die Sprache plötzlich zu Worten der Verführung.
Sie ist nicht nur Boxer-Frau und Politiker-Gattin, sondern eine Frau, eine Künstlerin, die es verdient, Gehör zu finden.
Natalia Klitschko stellt „Naked Soul“ (Sony) live am 23. Mai im Münchner Freiheiz vor
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