Enoch zu Guttenberg dirigiert Verdis "Requiem"
Die Chorgemeinschaft Neubeuern mit Verdis "Requiem" unter Enoch zu Guttenberg in der Philharmonie am Gasteig
MÜNCHEN - Zwischen einem Ton, der fast nicht mehr zu hören ist, und einem, der nicht mehr zu hören ist, besteht ein wesentlicher Unterschied: Der erste ist ein schwer zu erreichendes Ereignis von immenser Wirkung, der zweite ein Fehler. Enoch zu Guttenberg lässt die Violoncelli der KlangVerwaltung die motivisch wichtige Phrase zu Beginn von Giuseppe Verdis Requiem praktisch ohne Strichbewegung und ohne Druck intonieren. Ausnahmsweise ist nicht die Akustik der Philharmonie daran schuld, dass auch auf einem guten Platz ein Konzertbesucher mit normalem Hörvermögen – nichts hört. Wie mag es erst denjenigen auf den oberen Plätzen ergangen sein? Und: Was soll das?
Dieser Fauxpas ist nur der erste einer nicht enden wollenden Reihe, die sich bis in die letzten Takte hinein fortsetzt. Von der ansonsten passabel einstudierten, in allen Fächern ausgeglichenen Chorgemeinschaft Neubeuern wird der erste „Requiem“-Ruf nicht, wie vorgeschrieben, mit halber Stimme gesungen, sondern tonlos geflüstert, ein Effekt wie aus einer Neue-Musik-Persiflage. Entgegen dem präzise notierten Willen des Komponisten Verdi, der ein Meister der Phrasierung war, lässt Guttenberg instrumentale Gesangslinien in den Streichern nicht nur in sterilem Nonvibrato verenden, sondern zerreißt sie sogar noch durch unmusikalische Pseudorhetorik. Einzelne Akkorde werden sinnlos zu lang gehalten, Crescendi eingefügt, wo sie eher stören, eine willkürliche Temposchwankung macht eine Kyrie-Melodie unversehens zu einem lustigen Marsch.
Viel Selbstherrlichkeit
Guttenberg scheint diesem Werk zu misstrauen, er glaubt, es interessant machen zu müssen. Dazu nimmt er sich selbstherrlich das Recht, diese enervierend zahlreichen eigenen Ideen einzubauen, die nicht nur gegen den Buchstaben, sondern in ihrer affigen Aufgesetztheit exakt gegen Verdis Geist verstoßen. Zur Willkür kommen diejenigen Mängel noch dazu, die Guttenberg hoffentlich so nicht gewollt hat. Die Holzbläser gehen hoffnungslos unter, wenn sie nicht gerade solistisch spielen, dafür wird im „Lacrimosa“ auf einmal eine Trompete vollkommen absurd laut herausgehoben, während in den Tutti generell die Rohheit der Ventil-Bassposaune große Teile zudeckt.
Die Solisten tun gut daran, nicht auf Guttenberg zu achten. So erklärt sich, dass der schön schwarze Bassist Andreas Bauer gleich zu Beginn ausbüxt, während sich Susanne Bernhard mit ihrem ständigen Dolcissimo-Sopran und Sergey Skorokhodov mit seinem reinen, sehnigen Tenor am lückenlosesten einfügen. Der profunden und glühenden Mezzosopranistin Daniela Sindram aber fuchtelt Guttenberg im Gesicht herum, um sie in den Takt zurück zu zwingen, anstatt ihr sensibel begleitend zu folgen.
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