Ellie Goulding: Mit den Augen auf Halbmast

München - Eines stellt sie gleich zu Beginn klar: „Ich bin eine schreckliche Tänzerin“, ruft die Sängerin dem Publikum zu. Damit hat sie Recht. Ellie Gouldings Lieblingsbewegung scheint eine Helikopter-artige Drehung mit ausgestreckten Armen zu sein. Auch sonst geben zwar ihre vier männlichen Backgroundtänzer mit den Waschbrettbäuchen alles. Die in Hereforshire geborene Künstlerin dagegen hüpft wie ein Kind herum, das sich über so viel Platz auf der Bühne freut.
Aber das stört nicht. Denn Goulding, die durch Pop-Ohrwürmer wie „Lights“ oder „Burn“ international bekannt wurde, überzeugt mehr durch ihren tonsicheren Live-Gesang. Manchmal bekommt man während ihrer „Delirium World Tour“-Show das Gefühl, sie gehöre mehr in eine kleinere Konzerthalle ohne viel Drumherum. Auf den großen Bildschirmen rechts und links neben der Bühne schwirren unaufhörlich bunte Symbole und Effekte herum, die die 29-Jährige gar nicht braucht.
Die Songs ihres dritten Albums „Delirium“ singt sie sanft, hoch und immer poppig. Dass sie wirklich musikalisch ist und nicht das Produkt einer Castingshow, wird bei ihrer Performance des Songs „Devotion“ deutlich. Nur Ellie Goulding, die ihre Songs selbst schreibt, und ihre Gitarre.
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Wenn zwischendrin das Publikum etwas ruhiger wird und die jungen Fans nicht mehr kreischen, tragen die Tänzer zwei große, bunte Fahnen als Bühnendeko lieblos hin- und her. Auch die Vorhänge, die von der Decke herunterfallen, um Goulding Zeit für ihre fünf Kostümwechsel zu geben, machen einen umständlichen Eindruck. Am authentischsten wirkt die Sängerin, wenn sie die 6 500 Münchner Fans dazu aufruft, sich zu bewegen: „Seid nicht schüchtern, verschränkt eure Arme nicht! Hauptsache ihr steht nicht nur herum, sondern ihr habt Spaß!“ Ob die Musikerin, die schon auf der Hochzeit von Prinz William und seiner Kate spielen durfte, selbst so viel Spaß hat, ist zunächst nicht ganz ersichtlich. Denn ihre Augen stehen meist auf Halbmast.
Erst nach zwei Drittel ihrer Show wird sie redselig und lächelt. Besonders sympathisch ist Gouldings Bitte an ihr Publikum, doch mal die Smartphones in den Hosentaschen zu lassen und stattdessen „wie damals in den 90ern“ beide Arme in die Luft zu strecken. Das schaffen die Münchner – zumindest für zwei Minuten.
Bei den elektronisch produzierten Songs wie „On My Mind“ oder „I need your love“ trägt sie engsitzende und teilweise durchsichtige Bodys. Bei den Balladen wie „Army“ tritt sie barfuß und in einem weißen Tüllkleid auf die Bühne.
Süß sind hier die Hintergrundeinspielungen: Da der Song ihrer besten Freundin gewidmet ist, bekommen die Zuschauer lauter Polaroidfotos der Stationen ihrer gemeinsamen Freundschaft zu sehen. Ansonsten liefert Ellie Goulding 100 Minuten lang brav ihre Songs ab und motiviert das im Durchschnitt Mitte 20-jährige Publikum immer wieder Mal zum Mitmachen an, sorgt aber nicht für Überraschungen. Als letzte Zugabe spielt sie den Song, auf den alle Pärchen und Romantiker im Publikum gewartet haben: „Love Me Like You Do“, das Titellied aus „Fifty Shades Of Grey“.
Dena Brunner