Element of Crime beim Tollwood: Schwelgen in Liebeslust und Frust
München - Vielleicht lag es an der langen Entwöhnung durch die zweijährige Pause, vielleicht am unerwartet ruhigen Einstieg mit "Gewitter": Drei Lieder brauchen Element of Crime am Freitag, um das Publikum aufzutauen. Aber dann brodelt die Tollwood Musik-Arena. Dem melancholischen Song aus dem jüngsten Album "Schafe, Monster und Mäuse" folgen flottes Polka-Blech bei "Mehr als sie erlaubt" von 1993 und schmissiger Optimismus mit "Rette mich (vor mir selber)" und "Kaffee und Karin".
Element of Crime: Eine Reise durch die Alben
Damit ist gleich klar: Das Konzert gilt wie üblich nicht dem jüngsten Werk, sondern ist eine Reise durch die Alben. Genug Material hat die Band, und die Songs funktionieren ja noch immer. Da nutzt sich nichts ab. Ganz im Gegensatz zu den Knochen des Publikums, die am Ende des Abends doch schmerzen. Die meisten Fans sind schließlich keine Twens mehr, sondern gehören zur Generation, die Sitzplätze bei Konzerten nicht mehr spießig findet, sondern praktisch; doch die Tribüne mit den Sitzen bleibt geschlossen.
Aber Bewegung zur Musik entspannt den Rücken ja auch, und so steigern sich die Zuschauer vom vorsichtigen Schaukeln von einem Bein aufs andere zu lockerem Tanzen. Die Stimmung ist prächtig. Vergessen der Auftritt von Florian Horwath als Special Guest, der Sven Regeners Ankündigung als "Ritter der österreichischen Popmusik" mit Gitarre und Omnichord an diesem Abend nicht gerecht wird. Egal. Textsicher singt das Publikum dann mit bei "Weit ist der Weg" oder "Das alles kommt mit" und "Geh doch hin".
Sven Regener ist gut gelaunt, verschwendet aber keine Zeit mit langen Moderationen. Er erzählt nur von einer Busfahrt zur Haltestelle Bismarckstraße, nachdem ihm die Straßenbahn vor der Nase weggefahren ist - obwohl die Band viel dafür getan habe, damit das Wort einen Platz in der Popmusik findet: seine Überleitung zur bejubelten "Straßenbahn des Todes".
Mischung aus Hoffnungslosigkeit und trotzigem Optimismus
Weiter geht's im typischen Sound mit Liebesabschied in "Still wird das Echo sein" und Liebesglück in "Mittelpunkt der Welt". Etwas andere Töne erklingen mit "Ein Hotdog unten am Hafen" aus dem Soundtrack zu Leander Haußmanns Film "Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe" und mit dem ältesten Stück des Abends: 1989 sang die Band noch auf Englisch, "damals waren wir noch wilde Vögel", sagt Regener. "Don't you ever come back" wirkt tatsächlich beinahe experimentell, verzerrte Gitarren auf Klangteppich, aber der Weg zu späteren Alben ist schon ganz klar zu hören.
Element of Crime schafft diese Mischung aus Hoffnungslosigkeit und trotzigem Optimismus, aus der Freude am Verliebtsein und Liebesschmerz. Zeitlose Themen, zusammengesetzt aus wenigen typischen Bausteinen, die mit Blues-, Rock- oder gar hawaiianischen Klängen aufgepeppt werden. Element of Crime erkennt man sofort, aber sie schaffen es, immer wieder neu zu klingen.
Bei "Seit der Himmel" und "Immer da wo Du bist, bin ich nie" sind die Leute endgültig außer Rand und Band, aber mit "Am Ende denk ich immer nur an Dich" ist Schluss. Dreimal lässt die Band sich für nur je zwei Zugaben wieder auf die Bühne holen, darunter das berührende "Jetzt musst Du springen" über jugendlichen Erwartungsdruck und das famose Liebes(kummer)lied "Delmenhorst", vom Publikum lang ersehnt, das jetzt in eigentlich untypisches rhythmisches Klatschen verfällt.
Nach zwei Stunden des Schwelgens ist Schluss. Draußen regnet es in Strömen, und man denkt wieder an die erste Nummer "Gewitter". War also doch ein guter Auftakt für ein ausgesprochen gelungenes Konzert.