Einfach furios

Manche Werke, so scheint es, warten nur darauf, bis endlich jemand kommt, der zeigt, was wirklich in ihnen steckt. Für das Violinkonzert von Erich Wolfgang Korngold ist das María Duenas. Die Spanierin, noch keine 21 Jahre alt, entwirft eine vollgültige Persönlichkeit, widerspenstig, mit charaktervollem, bisweilen gar säurehaltigem statt lukullischem Ton.
Die Solostimme des Konzerts mag träumerisch lyrisch getönt sein, doch María Duenas kann sich auch geräuschvoll durchsetzen, resolut austeilen, die Spiccato-Passagen aufspießen, als ob ein Strawinsky sie geschrieben hätte.
Korngold hat in diesem Werk musikalische Themen aufgegriffen, die er in Partituren für Hollywood-Filme verwendet hatte. Schwer zu sagen, ob er bei der kompositorisch kunstvollen Verarbeitung an eine bestimmte Schauspielerin gedacht hat. Bei María Duenas fühlt man sich eher an eine trotzig souveräne Katharine Hepburn denn an eine verliebt leidende Ingrid Bergman erinnert.
Sogar den biografischen Hintergrund dieser Person lässt sie erahnen: Duenas artikuliert auch längere Phrasen mit Nachdruck durch, sägt in der Höhe so unbarmherzig, dass gleich zwei Bogenhaare reißen, und wenn sie einmal gleichsam einen charmant klingenden Augenaufschlag macht, sollte ihr Gegenüber sich dennoch nicht in Sicherheit wiegen. Einfach furios.
Schutz von Seiten des Dirigenten Manfred Honeck hat María Duenas nicht nötig, ihr Spiel strahlt eine solche nervöse Spannung aus, dass sie aus dem Mischklang der Münchner Philharmoniker stets heraussticht. Eher hätte Honeck die Soli von Oboe, Klarinetten, Horn stärker herausheben können, die in der bisweilen unberechenbaren Isarphilharmonie in den Schatten geraten.
Die übrigen Werke werfen weitere Fragen in Bezug auf die Rolle des Dirigenten auf. Seit vor drei Jahren die Rechte am Werk von Richard Strauss abgelaufen sind, kann lustig drauflos bearbeitet werden. Honeck hat mit Tomás Ille eine Suite aus der Oper "Elektra" zusammengestellt, die nicht funktioniert: Sie bleibt - anders als Strauss' Extrakte aus "Intermezzo" oder "Die Frau ohne Schatten" - ohne Dramaturgie mit klaren Ruhe- und Höhepunkten, sondern reiht wie ein falsch geschnittener Film Episoden und laute Stellen aneinander.
Gloria Isabel Ramos Triano, Jahrgang 1964, ist Dirigentin und als solche Schülerin von Honeck, der auch die Uraufführung ihres Auftragswerks "Balmung" leitet. Das ist der Name des Schwerts, das bei Richard Wagner Nothung heißt.
Warum steht nicht sie selbst vor den Philharmonikern? Hätte sie die langen Passagen nach dem effektvollen Beginn, die wirken wie aus einem Hollywood-Blockbuster entlehnt, mit Bedeutung aufladen können? Hätte sie das massive Schlagzeug, das - ohne Schuld der Spieler - ansatzweise komplexere Entwicklungen zuschüttet, gedämpft?
Fragen über Fragen. Antworten hat an diesem Abend nur die wundervolle María Duenas.