Eine Nachfeier zum 80. Geburtstag
Die Bayerische Akademie der Schönen Künste feiert den 80. Geburtstag von Aribert Reimann nach
MÜNCHEN - Im März ist er 80 geworden. Doch Aribert Reimann, denkt nicht ans Kürzertreten und schon gar nicht ans Aufhören. Komponist ist man ein Leben lang. Und wenn etwas schwächelt, dann allenfalls der Akku seines Mobiltelefons. Die Ideen gehen ihm sowieso nicht aus. Ein Gespräch über Reimanns dauernde Wandlungen, zeitlos gute Stoffe sowie die Porträtkonzerte in Passau, Straubing und München.
AZ: Herr Reimann, Sie feiern wahrscheinlich seit 4. März ohne große Unterbrechung?
ARIBERT REIMANN: Ja; ähm, ja! Es ist ein bisschen viel gewesen, weil ich gar nicht mehr zum Komponieren komme.
Runde Geburtstage sind meistens auch mit einem Rückblick verbunden. An was erinnern Sie sich denn besonders gerne?
Da wäre eine Menge, aber über den „Lear“ Freude ich mich schon sehr. Er hat sich über die Jahre gehalten: Die Uraufführung war 1978 mit Dietrich Fischer-Dieskau im Münchner Nationaltheater, und jetzt im Mai gab es in Paris die 27. Produktion. Vor ein paar Tagen erst hatte ich ein besonders schönes Erlebnis: Studenten haben meine Oper „Melusine“ von 1970 aufgeführt, und mir fiel auf, wie selbstverständlich diese jungen Leute heute mit neuer Musik umgehen. Da hat sich in den letzten 20 Jahren viel verändert. Mich hat das so begeistert, dass ich in alle vier Vorstellungen ging. Das war ein wunderbares Geburtstagsgeschenk!
Sie sind schwer zu fassen. Mal komponieren Sie eine Oper mit normalem Orchester – etwa die „Medea“. In der im Jahr 2000 in München uraufgeführten Oper „Bernarda Albas Haus“ gibt es vier Klaviere, zwölf Celli und ein paar Bläser.
Ich muss immer etwas Neues machen. Die „Melusine“ war reduziert auf 33 Musiker, während der „Lear“ ein richtig großes Orchester hatte. Danach kam der Auftrag für die „Gespenstersonate“ von Strindberg, und da hatte ich das Gefühl, ich kann das jetzt nur mit ganz wenigen Leuten machen. Das hing auch mit dem Raum zusammen, mit dem Stoff sowieso, aber ich kann mich einfach nicht wiederholen. Was gemacht ist, ist gemacht.
Es gibt allerdings eine Konstanz in Ihrem Leben als Musiker und Komponist: die menschliche Stimme.
Auf die komme ich immer wieder zurück, das stimmt. Aber das hängt auch mit dem Elternhaus zusammen. Meine Mutter war Gesangslehrerin, ich bin mit Stimmübungen groß geworden. Mein Vater hat nach dem Krieg den Berliner Staats- und Domchor wieder aufgebaut, und bis zum Stimmbruch sang ich dann sehr viel bei ihm. 1946, mit zehn, konnte ich schon meine erste Bühnenerfahrung machen: Ich sang im Hebbel-Theater im „Jasager“ von Brecht und Weill mit. Zu dieser Zeit begann ich dann auch mit dem Komponieren.
Ein kleiner Berliner Mozart?
Der hat ja noch viel früher angefangen. Aber das kam einfach so, mit sechs fing ich an mit dem Klavierspielen und irgendwann konnte ich nicht mehr anders. Ich war ja dauernd von Musik umgeben, von sämtlichen Bachkantaten, die ich bei meinem Vater hörte, von Schubert, Brahms und den ganzen Liedkomponisten bei meiner Mutter. Im Alter von etwa zwölf hab ich dann schon ihre Schüler begleitet.
Das blieb ein ganz wichtiger Teil Ihrer Arbeit. Sie haben später die großen Sänger begleitet.
Viele, ja, Rita Streich und Brigitte Fassbaender, mit Dietrich Fischer-Dieskau begann die Zusammenarbeit 1958 und endete erst 1993, als er dann auch aufgehört hat aufzutreten.
Das hat sicher Ihre Art zu komponieren geprägt?
Ich wusste von Anfang an, was ich einem Sänger zumuten kann, was er überhaupt umsetzen kann.
Und weil es keine Reimann-Feierlichkeiten ohne Lieder gibt, hören wir dieses Repertoire auch in Straubing und München. Was haben Sie denn ausgesucht?
Das Programm ergab sich aus der Zusammenarbeit mit dem Pianisten Axel Bauni. Ich habe zwei Stücke für die Sopranistin Caroline Melzer und ihn geschrieben – die „Rilke-Fragmente“ und den zweiten Monolog der Stella aus dem Trauerspiel von Johann Wolfgang von Goethe. Beide haben das uraufgeführt und sind natürlich die ideale Besetzung dafür.
„Shine and Dark“ geht auf ein Gedicht von James Joyce zurück. Sie legen Wert auf eine exquisite Textvorlage?
O ja! Das hatte ich für Fischer-Dieskau geschrieben, und jetzt wird es der Bariton Peter Schöne singen, der das Werk ausgesprochen gut kennt. Das ist also alles in besten Händen. Genauso wie die Variationen für Klavier von 1979, die wahnsinnig schwer sind, und die Siegfried Mauser spielen wird. Er macht das wirklich grandios.
Sie scheinen auch ein Faible für klassische Stoffe und große literarischen Figuren zu haben. Steht dahinter der Wunsch, an etwas Bleibendes anzuknüpfen?
Ich würde eher sagen, es müssen Stoffe sein, mit denen ich etwas anfangen kann, die etwas mit unserer Zeit zu tun haben und die uns alle angehen. Melusine als Vorkämpferin für den Erhalt der Natur ist doch von größter Aktualität. Für die Medea habe die eher unbekannte Version des Stoffs von Franz Grillparzer gefunden, der sie als Fremde, ja fast Aussätzige beschreibt. Das weist weit in unsere Zeit hinein.
Fällt Ihnen das Komponieren nach all den Jahren leichter?
Nein! Im Gegenteil, es wird schwerer, weil die Zweifel größer werden. Früher habe ich einfach drauf loskomponieren. Heute überlege ich bei jeder Note, schreibe ich die hin? Mit der Zeit bin ich mit mir selbst sehr viel strenger geworden. Aber wenn ich gut in einem Stück drin bin, entsteht auch ein Fluss. Jetzt bin ich zum Beispiel wieder an einer neuen Sache.
An was schreiben Sie?
Es sind drei Einakter von Maurice Maeterlinck, die ich zu einem Stück verbunden habe. Aber da will ich noch nicht in die Details gehen. Und weil wir vorher von den unterschiedlichen Besetzungen gesprochen haben: Das erste Stück hat nur Streicher, das zweite nur Holzbläser, beim dritten spielt das ganze Orchester zusammen, und dazwischen gibt es Intermezzi mit zwei Harfen und drei Countertenören. Stimmt schon, ich wollte einfach wieder mal was Neues machen.
Wo holen Sie sich Inspirationen?
Meistens wenn ich spazieren gehe. Ich wohne in Berlin zehn Minuten vom Grunewaldsee entfernt, und wenn ich am Wasser oder im Wald bin, kommen die Gedanken. Von Brahms weiß man, dass er jeden Tag gelaufen ist und dabei seine Einfälle hatte. Ich werde also sehr bald wieder umher gehen.
Liedmatinee, 24. 7., 11 Uhr, Historischer Rathaussaal Straubing, 25, ermäßigt 12 Euro; Wiederholung des Liedprogramms am Mo, 25.7., 19 Uhr, in der Akademie der Schönen Künste München, Max-Joseph-Platz 3, Eintritt frei, Platzkarten eine Stunde vor Beginn