Eine halbe Saison mit Valery Gergiev - die Bilanz

Deutsch-russische Klänge: Die Bilanz zur Halbzeit der ersten Saison von Valery Gergiev bei den Münchner Philharmonikern fällt gemischt aus
von  Robert Braunmüller

Deutsch-russische Klänge: Die Bilanz zur Halbzeit der ersten Saison von Valery Gergiev bei den Münchner Philharmonikern fällt gemischt aus

Das Verhältnis von Orchestern zu ihrem Chefdirigenten gleicht einer Liebesheirat. Im ersten Jahr lodert die Flamme heftig. Entscheidend aber ist, ob sich im zweiten und dritten Jahr eine stabile Beziehung entwickelt, in der es trotzdem immer wieder knistert. Ob das die Münchner Philharmoniker und Valery Gergiev schaffen?

Beim Antrittskonzert mit Gustav Mahlers Symphonie Nr. 2 wirkte der Dirigent stark unter Druck – kein Wunder nach der vorangehenden Dauer-Debatte um seine Nähe zum russischen Präsidenten Putin. Spätere Konzerte wirkten gelöster. Das Prokofjew-Festival war vielversprechend. Und eine herausragende Aufführung hat es auch schon gegeben: das Rachmaninow-Konzert Nr. 3 mit dem Pianisten Daniil Trifonov.

Da führte Gergiev einige seiner Stärken vor: Er zieht interessante Solisten an. Seine Programme verbinden russische mit deutscher Musik. Die spezifische Klangtradition der Münchner Philharmoniker passt wunderbarerweise für beides ideal. Gergiev hat als Wagner-, Strauss- und Brahms-Interpret einiges zu sagen. Auch seine Auseinandersetzung mit Bruckner wirkt vielversprechend. Ein Problem bleibt: Gergievs Arbeitsweise. Er verlässt sich zu oft auf die Erfahrung des Orchesters und seine eigene Spontaneität. Die ersten Abende einer Serie wirken immer ein wenig pauschal.

Der Gasteig íst keine Probebühne für Asien

Wer Konzerte von Mariss Jansons mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder von Kirill Petrenko beim Bayerischen Staatsorchester anhört, der weiß, das Proben keine Zeitverschwendung sind. Gergiev und die Philharmoniker erreichen ihre Bestform offenbar immer erst am zweiten oder dritten Abend. Man hört auch, dass einzelne Proben von Assistenten geleitet werden – eine nicht ganz unproblematische Arbeitsweise.

Eine erste Feuerprobe haben Gergiev und die Münchner Philharmoniker bereits bestanden: die Asien-Tournee durch China, Korea und Japan. Dem Vernehmen nach gelangen ganz ausgezeichnete Aufführungen von Tschaikowskys „Pathétique“ und Bruckners Vierter herausragend.

Solche Reisen sind für den inneren Zusammenhalt des Orchesters und die Beziehungs-Vertiefung wichtig. Und diese gesteigerte Intensität bei Gastspielen wird gewiss mittelfristig auch auf die Münchner Aufführungen ausstrahlen. Doch Gergiev scheint die Münchner Aufführungen bisweilen als Generalproben für die Suntory Hall in Tokio oder den Wiener Musikverein zu verstehen. Die Philharmoniker sind das Orchester der Stadt. Und entscheidend bleibt deshalb, was im Münchner Gasteig gespielt wird.

Die nächsten Konzerte der Münchner Philharmoniker unter Valery Gergiev: 31.3., 1. und 3. 4. 2016, 20 Uhr in der Philharmonie im Gasteig: Prokofjew (Symphonie 1 und 7) Bruckner (3. Symphonie)

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