Eine Entdeckung: Der Dirigent Omer Meir Wellber
Das Leben ist leichter geworden, das Leben ist fröhlicher geworden“, verkündete der sowjetische Diktator Stalin 1935 in den Jahren des Terrors, der inszenierten Schauprozesse. Die vier Jahre später entstandene Sechste von Dmitri Schostakowitsch mutet an wie eine zynische Vertonung dieses Satzes: Auf ein tragisches Largo folgen zwei spöttisch-brutale Sätze in genau jenem Stil, der dem Komponisten kurz zuvor politischen Ärger eingebracht hatte und den er in seiner neoklassizistischen Fünften eigentlich widerrufen hatte.
Dieses selten gespielte Stück verleitet Orchester und Dirigenten leicht zu Krachmacherei. Der junge Dirigent Omer Meir Wellber wollte mit dem Bayerischen Staatsorchester nicht auf billige Effekte hinaus. Deshalb gelang ihnen eine ungewöhnlich gute, ja bewegende Aufführung. Die leisen Stellen im langsamen ersten Satz wirkten wie die bedrohliche Windstille vor einem losbrechenden Gewitter. Keines der vielen Bläser-Soli wurde im üblichen Routine-Mezzoforte gespielt, alles wirkte bis ins letzte Detail ausgefeilt und zugleich natürlich – wie in einer Einstudierung des Generalmusikdirektors Kirill Petrenko.
Wellber hatte den großen Atem für das Largo. Die gespenstische Lustigkeit beiden raschen Sätze steigerte er sehr behutsam und sorgfältig, um zuletzt noch eine infernalische Zirkusmusik losbrechen zu lassen, die dann wirklich schockierte. Die oft beschworene Doppelbödigkeit Schostakowitschs wurde in dieser Aufführung zum Ereignis.
Vor der Pause lud Wellber die erste Suite aus Manuel de Fallas „Dreispitz“ immer wieder mit leicht verzögertem Tempo energetisch auf. Dann brannte Peter Sadlo in Ferran Cruixents Schlagzeugkonzert „Focs d’artifici“ ein Feuerwerk an Effekten ab. Ein freundliches Stück Klassik-Pop, in dem das Staatsorchester als Bigband hervortrat. Dann sagte der Sadlo den schönen Satz, dass Schlagzeug manche Psychotherapie erspare. Ein scheußlicher alter Holzstuhl wurde gebracht. Aber der stellte sich bei der Zugabe als betrommeltes Musikinstument heraus. Hoffentlich legt auch Wellber bald nach: mit weiteren Auftritten an der Staatsoper.