Ein Weltstar mit Münchner Träumen

Warum Al Di Meola sein 45-jähriges Bühnenjubiläum im Circus Krone feiert und was ihn sonst noch mit München verbindet
von  Dominik Petzold
Al Di Meola gilt seit Jahrzehnten als einer der besten Gitarristen der Welt.
Al Di Meola gilt seit Jahrzehnten als einer der besten Gitarristen der Welt. © benwolf2018

Der legendäre Jazz-Gitarrist Al Di Meola feiert sein 45-jähriges Bühnenjubiläum mit einem besonderen Konzert: Er spielt mit seiner „Opus-Akustikband“ und einem Streichquartett. Die Wahl für das Jubiläumskonzert fiel auf München und den Circus Krone.

AZ: Mr. Di Meola, wieso feiern Sie ihr Bühnenjubiläum ausgerechnet im Circus Krone?
AL DI MEOLA: Das ist ein besonderer Ort für mich. Es ist der erste Ort, an dem ich gespielt habe, als ich als 19-Jähriger mit Chick Corea nach Deutschland kam. Und viele meiner Lieblingsbands wie die Beatles haben hier gespielt. Der Circus Krone hat eine große Geschichte. Wir wollen den Abend zu etwas Besonderem machen, es wird eine größere Produktion.

Als Sie damals bei Chick Coreas „Return to Forever“ einstiegen, war er bereits eine Legende. Sie waren 19. Wie kam’s?
Ich studierte am Berklee College of Music in Boston, und die Band war meine absolute Lieblingsband. Ein Freund hatte Chick eine Kassette von mir gegeben, und sie hat ihm so gut gefallen, dass er mich angerufen und gefragt hat, ob ich nach New York kommen und in die Band einsteigen möchte. Da wurde ein Traum wahr.

Mussten Sie nicht vorspielen?
Es hat sich nicht wie ein Vorspielen angefühlt. Sie schienen sich wirklich sicher zu sein, mir den Job zu geben.

Wie war dieses erste Probe, waren Sie nervös?
Es war toll. Ich dachte, gut genug spielen und Noten lesen zu können, um zurechtzukommen. Aber natürlich war ich nervös. Sie waren bereits Legenden und ich war ein Baby.

Wie viel haben sie geübt, um so schnell so weit zu kommen?
In Berklee habe ich zwischen acht und zehn Stunden am Tag geübt. Ich war besessen davon, es zu schaffen, und ich wollte es schaffen, solange ich noch jung bin. Und dann habe ich in der Lotterie gewonnen.

Kennen Sie den Film „Whiplash“ von Oscar-Gewinner Damien Chazelle?
Ja.

Darin geht es um einen Jazz-Studenten, der wie verrückt übt und bis weit über die Schmerzgrenze geht, um ein großer Musiker zu werden. Entspricht das der Realität?
Es ist nicht so schlimm, aber es kommt nahe ran.

Der junge Musiker wird von seinem Dozenten extrem getriezt und gedemütigt. Hat ihnen der Film gefallen?
Nein, denn diese Hauptfigur war bösartig. Ich bin bekannt dafür, bei meinen Proben sehr tough zu sein, und ich wollte nicht, dass Leute diesen Kerl mit mir vergleichen. Er war auf bösartige Weise tough, und ich glaube nicht, dass ich so gewesen bin. Aber die Sache ist die: Man muss stark sein, um zu vermitteln, wie man Sachen richtig spielt. Sonst spielen Musiker, was sie fühlen, und das macht die Musik nicht unbedingt besser. Sie brauchen klare Führung, sie müssen wissen, wenn sie nicht im Takt spielen. Aber diese Figur war bösartig, und so war ich nicht.

Wieviel üben Sie heutzutage?
Wann immer ich kann. Hoffentlich schaffe ich es heute Abend, ein paar Stunden zu üben. Wenn man als junger Musiker anfängt und noch keine Familie hat, sollte man die ganze Zeit mit seinem Instrument verbringen. Man sollte sich von Handy und Computer fernhalten. Als ich ein Teenager war, gab es das nicht, wir konnten uns damals viel mehr auf etwas konzentrieren. Heute greift jeder nach einer Aufnahme sofort zum Handy. Die Leute fokussieren sich nicht mehr so, sie sind ständig am Netzwerken, ihre Aufmerksamkeitsspannen sind sehr kurz. Es ist schwierig, heutzutage eine Platte zu machen. Die Qualität der Aufnahmen vieler Künstler hat nachgelassen, weil sie nicht konzentriert genug sind.

Würden Sie jungen Leuten heute noch empfehlen, Musiker zu werden?
Nein. In den Siebzigern konnte man ein Star werden, wenn man sehr gut war. Heute ist es viel schwieriger geworden, mit Musik seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es gibt mehr gute Musiker als früher, aber sie brauchen einen Zweitjob. Wenn ich noch mal anfangen müsste, würde ich Schönheitschirurg werden. Ich kann junge Leute nur darin bestärken, Musiker zu werden, wenn ihre Leidenschaft derart groß ist, dass sie gar nicht hören, was ich zu sagen habe.

Ihre Leidenschaft für die Musik haben die Beatles entfacht, oder?
Ja. Mein Gott, sie waren so gut. Sie waren nicht dafür bekannt, Virtuosen zu sein, aber darum ging es gar nicht. Sie hatten etwas viel Tieferes. Sie hatten wunderschöne Songs, großartige Kompositionen, und ihre Stimmen fügten sich auf wundervolle Weise zusammen. Ich höre bis heute „Sgt. Pepper“, „Magical Mystery Tour“ und viele ihrer Platten. Einfachheit kann viel großartiger sein als alles Komplexe.

Sie haben selbst ein Album mit Beatles-Songs aufgenommen, und zwar am Originalschauplatz, den Abbey Road Studios. Wie war das?
Als ob ein Fünfjähriger nach Disneyworld fährt. Dieses Gefühl hat man als Erwachsener ja sonst nicht mehr. Genau da zu sitzen, wo sie diese Platten gemacht haben – derselbe Boden, dieselben Wände, dieselben Mikrofone –, das war unglaublich faszinierend.

Hat Ihnen Paul McCartney gesagt, wie er Ihre Aufnahmen findet?
Wir wissen nicht, ob das Album bei ihm angekommen ist, aber meine Frau hat es seiner Haushälterin gegeben. Paul ist mein Nachbar in den Hamptons. Ich habe da ein Haus gemietet, und der Besitzer sagte: Übrigens, Sie sind jetzt Nachbar von Paul McCartney. Und da stand er, direkt in der Einfahrt. Es war elektrisierend. Ich habe das Datum und die Uhrzeit aufgeschrieben. Lustigerweise war es am 3. September – das Konzert in München ist genau an dem Tag, an dem ich Paul das erste Mal getroffen habe.

Haben Sie ihm gesagt, dass er Ihre Leidenschaft für Musik geweckt hat oder hat er das schon einmal zu oft gehört?
Ich glaube, das hat er wirklich schon einmal zu oft gehört. Viele Musiker meiner Generation haben wegen der Beatles angefangen. Wir begegnen ihnen an jedem Tag unseres Lebens: im Fernsehen, im Radio, durch Hintergrundmusik. Es wäre absolut in Ordnung, wenn Paul mein Album nicht angehört hätte, denn es gibt Tausende von Alben, auf denen jemand Beatles-Songs spielt. Ich bin mir sicher, dass er davon kaum welche anhört.

Sie haben gesagt, dass Ihr neues Album „Opus“ in einer sehr glücklichen Zeit entstanden ist. Was ist aus dem Klischee des leidenden Künstlers geworden?
Ich war bei all meinen anderen Alben ein leidender Künstler! Ich dachte immer, das müsste so sein, es wäre ein Teil des Prozesses, man müsse kämpfen, um ein höheres Level zu erreichen. Mit meiner deutschen Frau führe ich eine sehr harmonische, wunderschöne Beziehung, wir haben eine kleine Tochter. Ich hatte Bedenken, ob ich da Musik schreiben kann, ich dachte, dass ich vielleicht zu glücklich dafür bin. Aber als ich angefangen habe zu schreiben, war der Mythos des leidenden Künstlers schnell vergessen. „Opus“ ist ein Album geworden, auf das ich sehr stolz bin.

Sie haben mit vielen berühmten Musikern gespielt. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?
Paco de Lucía. Er hat ganz anders Gitarre gespielt als ich. Wir konnten rhythmisch einen tollen Dialog führen, haben uns gegenseitig inspiriert und so ein neues Level erreicht. Aber ich bin auch anderen großen Musiker begegnet, etwa den kubanischen Pianisten Gonzalo Rubalcaba und Kemuel Roig, der mit mir nach München kommt. Er spielt unglaublich.

Hat Sie irgendjemand aus dem Rockbereich begeistert?
Als ich ein Teenager war und in einer Garagenband spielte, war ich ein großer Fan von Stevie Winwood. Und ein paar Jahre später, als sich Return to Forever aufgelöst hatte, bekam ich ein Angebot, mit ihm in London zu spielen, in einer Gruppe namens Go. Es war wirklich aufregend, er hat eine der größten Stimmen der Rockgeschichte.

Bei Ihrem Konzert im Circus Krone kehren Sie in die Stadt zurück, in der sie kürzlich eine Weile mit ihrer deutschen Frau gelebt haben. Welches Verhältnis haben Sie zu München?
München war mein zweites Zuhause, seit ich 19 bin. Wenn ich auf Tour war, bin ich an freien Tagen nach München geflogen. Es war die angenehmste, freundlichste Stadt und auch die kommunikativste – jeder sprach Englisch. Ich habe immer im Bayerischen Hof gewohnt, da hat man mich behandelt, als ob ich hier zuhause wäre. Seit ich Anfang zwanzig war, hatte ich immer die Vorstellung, irgendwann in München zu leben – und ich hatte die Hoffnung, eine deutsche Frau kennenzulernen. All meine Träume sind wahr geworden.

Circus Krone, 3. September, 20 Uhr. Tickets ab 47 Euro unter Tel. 54818181. Ein VIP-Package für 147 Euro umfasst den Zugang zum Soundcheck, eine Frage-Antwort-Runde mit Al Di Meola, ein gemeinsames Foto und eine persönlich unterschriebene CD

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