Ein philharmonisches Kraftwerk
München - In London hat die Tate Modern vor Jahren schon ein ehemaliges Kraftwerk bezogen. Im Ruhrgebiet werden alte Zechen kulturell genutzt. In München gibt es kaum leerstehende Industriebauten – einer davon ist das alte Heizkraftwerk der Bahn an der Rupert-Bodner-Straße in Aubing.
Ausweichquartier für den Gasteig? Ein altes Heizkraftwerk in Aubing könnte zum „philharmonischen Kraftwerk“ werden
Den Brüdern Michael und Christian Amberger gehört diese Ruine der frühen 1940er Jahre. Sie wollten sie vor ein paar Jahren eigentlich zur Zentrale ihres Unternehmens umbauen. Doch der Bürgermeister von Gräfelfing bot den Betreibern von Tankstellen, Waschstraßen und Getränkemärkten ein anderes Grundstück an.
Nun können sich die Brüder Amberger aber vorstellen, dass die Philharmonie während der Generalsanierung des Gasteig ab 2020 dort einzieht. Ursprünglich dachten sie an eine Nutzung für Galerien und Künstler. Bei einem Wettbewerb aber fand der Münchner Architekt Peter Haimerl heraus, dass sich der Ziegelbau perfekt für einen Konzertsaal eignen würde.
München wird immer westlicher
Und davon versteht er etwas: Heimerl hat den hochgelobten Saal im niederbayerischen Blaibach entworfen, den der umtriebige Sänger Thomas E. Bauer durchgesetzt hat. Auch er unterstützt das Projekt der Gebrüder Amberger.
Die Baukosten von etwa 100 Millionen Euro für das „Philharmonische Kraftwerk“ sollen unter anderem durch die Vermietung des neuen Baus an die Stadt eingespielt werden. Aber auf Fragen nach Details der Finanzierung des Umbaus hielten sich die Brüder bei der Vorstellung des Projekts bedeckt.
Umso beredter schilderte Architekt Haimerl die mit dem Bau verbundenen Chancen: „Die städtebauliche Entwicklung Münchens wird sich auf den Westen konzentrieren.“ Ein Konzertsaal könnte zum Herz des neuen Münchner Westens werden.
Für Besucher aus Landsberg und Augsburg wäre der Saal gut erreichbar. Die S-Bahnhöfe Langwied und Aubing sind nicht allzu weit entfernt, das Parken wäre auch kein Problem und das Autobahnkreuz München-West in der Nähe.
Haimerl möchte bei einem Umbau zu einem Konzertsaal den eher rauen Charakter des Industriebaus beibehalten: „Holz trifft aufs Herbe“, sagt der Architekt. Der zentrale Saal könnte variabel gestaltet werden: mal mit einem ansteigenden Parkett, mal als leere Fläche für Popkonzerte oder Performances. Neben der ehemaligen Kraftwerkshalle könnten Foyers, Nebenräume und ein Kammermusiksaal entstehen. Bei der Planung hat Haimerl sich am Raumbedarf der Münchner Philharmoniker orientiert.
Gergiev ist interessiert, das Symphonieorchester aber hofft auf anderes.
Deren Chefdirigent Valery Gergiev hat das Kraftwerk besichtigt und sein Interesse signalisiert. Die Brüder Amberger sind im Gespräch mit der Stadt, deren Kulturreferat derzeit mehrere Interimsspielstätten prüft. Der Stadtrat wird sich wohl im Frühjahr 2016 für eine Lösung entscheiden – wenn bis dahin die teure Gasteig-Generalsanierung wegen leerer Kassen ohnehin ausfällt, wie Teile der CSU fordern.
Und wenn die Stadt sich für einen anderen Interims-Standort entscheidet? Dann erwägen die Gebrüder Amberger den Umbau des Heizkraftwerks zu einem Musicaltheater.
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das seit Jahren einen weiteren Konzertsaal fordert, scheint an dem Projekt nicht interessiert zu sein. Die Brüder Amberger und ihre Mitstreiter verstehen das Heizkraftwerk auch nicht als Konkurrenz zu den staatlichen Neubauplänen, über die heute das Kabinett beraten wird. Dem Vernehmen nach werden da nach dem Ergebnis eines städtebaulichen Gutachtens wohl die Weichen Richtung Werksquartier hinterm Ostbahnhof gestellt.
Thomas E. Bauer wirkt da allerdings skeptisch. Er kennt die Stimmungslage in Niederbayern, die sich durch die Flüchtlingskrise zugespitzt hat. „Wenn ich Bürgermeister in Deggendorf wäre, würde ich wütend werden, wenn der Freistaat in München einen millionenteuren Konzertsaal beschließen würde.“