Ein Kraftakt voller Offenbarungen

Der fünfte Prolog des Münchener Kammerorchesters mit Ryan Bancroft in der Sendlinger Himmelfahrtskirche.
Michael Bastian Weiß |
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Der amerikanische Dirigent Ryan Bancroft.
Florian Ganslmeier Der amerikanische Dirigent Ryan Bancroft.

Der junge amerikanische Dirigent Ryan Bancroft tut gut daran, die drei absolut für sich stehenden Stücke scharf voneinander abzugrenzen: Im "Cantus in memoriam Benjamin Britten" von Arvo Pärt entfacht das Münchener Kammerorchester ein wohliges Wogen, breit gestrichen, ohne Ecken und Kanten, mit bedeutungsvoll läutender Glocke. Für die Sonata "La Battalia" von Heinrich Ignaz Franz Biber scheint der Klangkörper vollständig ausgewechselt, so barock wird mit sprudelnden Violinen und Cembalo die geräuschgesättigte Klangwelt dieser Kriegsmusik in der akustisch vorteilhaften Himmelfahrtskirche Sendling hervorgerufen.

Wenn es schon nicht mehr möglich scheint, die Kontraste noch weiter auseinander zu treiben, verwandelt sich das Kammerorchester für die Symphonie Nr. 4 von Karl Amadeus Hartmann ein weiteres Mal von Grund auf. Zwischen wie gelähmt, tonlos vor sich hin tastenden Melodien, schmerzhaften hohen Violinschreien und einem wütenden Totentanz, der den massigen Streicherapparat fast körperlich greifbar erscheinen lässt, wird ein atemberaubend weites Ausdrucksspektrum aufgefächert. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Musiker dieses Programm unmittelbar vorher schon einmal gespielt hat, um die reduzierte Zuhörerzahl zu verdoppeln - ein Kraftakt, sich in diesen fordernden Werken zweimal in Folge schonungslos zu verausgaben.

Dieses Engagement lohnt sich für die Zuhörer, weil sich zwischen den drei so unvereinbaren Werken ungeahnte Bezüge herstellen. So füllen Pärt und Hartmann den Kirchenraum auf jeweils eigene Weise bis zum Rand aus, und ähnlich, wie in Hartmanns grimmigem Scherzando fast gefletschte Zähne zu sehen sind, kippt Bibers scheinbar komische Lautmalerei immer wieder in ein Erschrecken über die Gewaltsamkeit des Krieges um. Ein Abend voller Offenbarungen.

Das letzte der "Prolog"-Konzerte des MKO in der Himmelfahrtskirche Sendling findet am 2. Oktober um 18 Uhr und um 20 Uhr statt. Enrico Onofri dirigiert Barockes und Igor Strawinskys "Apollon Musagète".


Karten unter Telefon 089/46 13 64 30 und www.m-k-o.eu.

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