Ein Busserl für das Kraftpaket
Von Schumann bis Dalla, von der "Mondnacht" bis "Caruso": Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager hat sich für ein Crossover-Projekt mit Konstantin Wecker zusammengetan
"Holt mich hier raus, ich bin ein Star!" Angelika Kirchschlager lacht lauthals. "Zu spät", grinst Marcus Wall, zweiter Geiger des oberösterreichischen Spring String Quartetts (SSQ). Zumindest für einen Moment scheint die Mezzosopranistin doch zu schwanken zwischen ausgelassener Fröhlichkeit und plötzlichem Erschrecken.
Denn der knappe Kommentar des Hells Angel der Virtuosität führt der gebürtigen Salzburgerin ihre augenblickliche Lage überdeutlich vor Augen: Hier, tief in der Toskana, eine knappe Autostunde von Florenz entfernt, zwischen alten Olivenbäumen und verstreuten Gehöften, sind nicht nur die Opernhäuser von Wien, New York und London weit weg, sondern auch der nächste Flughafen - und das nicht nur, weil die Sängerin dafür einer Mitfahrgelegenheit in der klapprigen Kiste ihrer vier Landsleute bedürfte.
Aber hat Angelika Kirchschlager es nicht so gewollt? Einmal verrückt sein, ausbrechen aus dem Korsett des klassischen Liedgesangs - und richtig abrocken. Trinken bis in die frühen Morgenstunden, rauchen, als ob es kein Morgen mit Konzerten gäbe, ausgelassen blödeln, dass jeder Bewunderer ihrer Kunst grosse Augen machen würde. "Du gehörst jetzt zu unserer Band", erteilt ihr SSQ-Cellist Stephan Punderlitschek den Ritterschlag - worauf der Mezzo-Star mit gespieltem Erschrecken erwidert: "Worauf habe ich mich hier nur eingelassen..."
Nun, auf ein "liedestolles" Projekt, das in diesen Tagen hier in der sanft geschwungenen Landschaft heranreift und rund um den Flügel im toskanischen Landhaus Konstantin Weckers Formen annimmt. "Getroffen haben wir uns das erste Mal bei einem Fernsehtermin Angelikas für den ORF", erinnert sich der Liedermacher. "Wir waren ziemlich aufgeregt und der Spring String-Bratscher Julian Gillesberger meinte: ,Ihr wisst schon, dass wir jetzt einer Göttin begegnen' - und dann war die Göttin so etwas von locker, dass wir noch am selben Abend gesagt haben, wir müssen unbedingt mal was zusammen machen."
Und nun stehen sich da am Flügel zwei Welten gegenüber: hier der Polit-Barde - dort die Opernsängerin. Oder in ihren eigenen Kosenamen: hier die "Göttin" - dort der "Meister". Und sind doch eins in ihrem Plädoyer für das (Kunst-)Lied und seine Texte. "Wir wollen zeigen, welch eine Bandbreite des Singens es gibt - und wie lebendig diese sein können", formuliert die 47-Jährige ihr Programm-Vorhaben, das die beiden Künstler, das SSQ sowie Weckers pianistisches Alter Ego Jo Barnickel und der Percussionist Jens Fischer auf Deutschland-Tour vorstellen. Und so schlägt die Auswahl denn einen grossen Bogen: von Schumann bis Dalla, von der "Mondnacht" bis "Caruso", von Schubert bis Wecker, vom "Erlkönig" bis zur "Königin von Uelzen". Und wenn sie ihn vor Begeisterung für seine Poesie umarmt und dem bayerischen Kraftpaket ein Busserl auf die Wange drückt, dann geht er nach Schumanns "Mondnacht" vor ihr auf die Knie: "Das ist so schön, ich könnte weinen..."
Höchste Zeit für ein wenig Erdung, befinden die vier Spring Strings. Sie öffnen eine neue Flasche Chianti, während Wecker im Keller verschwindet, um mit einem Krug frisch gepressten Öls aus den Oliven seines Hains zurückzukehren: "Die erste Pressung - was es bei uns zu kaufen gibt, ist meistens die dritte oder vierte Pressung." Das frische Weissbrot ins Öl getaucht, ein wenig Salz und schon verspürt der Gaumen eine "fruchtige Explosion" - ob nun vom Öl oder Rotwein spielt am Ende keine Rolle…
Längst auch nicht mehr für die Sängerin: Denn Kirchschlager geniesst den Ausflug ins Rock-Geschäft. Unprätentiös und bodenständig zeigt sie nicht allein lieber Seele statt Koloraturen, sondern auch in ungewöhnlichen Projekten - allein um den Grappa macht die springlockige Künstlerin einen grossen Bogen: "Wenn ich Wein getrunken habe und dann Schnaps, geht es mir wirklich ganz schlecht", erzählt sie lachend - gut, dass es sich beim Limoncello am Abend zuvor "nur" um einen Likör gehandelt hatte…
München: 9. 11., Philharmonie, 20 Uhr, Karten (28 - 48 Euro): Tel. 93 60 93
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