"Don Juan" im Gärtnerplatz-Livestream: Getanzte Lebensfreude
München - Die Ironie liegt ihr so gut wie die Pikanterie. Mit hörbar hochgezogener Augenbraue erzählt Jutta Speidel aus dem Leben Don Juans; dazu tänzelt eine grazile Gavotte. Auf einem Fest treibt der Wüstling sein liederliches Spiel; das Orchester wagt den Fandango, sogar in besonders tadelloser Haltung.
"Halt, Verräter!" ruft die Schauspielerin verwegen; die Musik scheint es wenig zu kümmern. Erst wenn der Unhold endlich in die Hölle stürzt, lässt auch der Komponist seine Verbindlichkeit fahren und treibt die Musiker in ein atemloses Finale in d-moll.

Faszinierende Spannung zwischen Handlung und Musik
Gut, dass Jutta Speidel im Gärtnerplatztheater die Geschichte Don Juans in Texten von Tirso de Molina, der die erste literarische Version schuf, über Molière bis hin zu E. T. A. Hoffmann schildert. Denn dem gleichnamigen Ballett von Christoph Willibald Gluck kann man deren Tragik und Frivolität nicht wirklich anhören.
In dieser Neuausgabe der Reihe "Sinfonische Lyrik" ergibt sich also eine faszinierende Spannung zwischen Handlung und Musik. Die Schauspielerin mit der so deutlichen wie natürlichen Diktion ist für die moralisch bedenklichen Zwischentöne zuständig, das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz aber für die getanzte Lebensfreude.
Livestream-Bildregie fängt Bramall und die Musiker in Einzelporträts ein
Grell schießen in den Streichern die Motivblitze empor, verliebt klagend singt die Oboe, die Hörner schmettern aus voller Brust. Das Orchester agiert so geschlossen und schlagkräftig, dass der spätbarocken Musik die Harmlosigkeit ausgetrieben wird, so weit es eben geht.
In jeder Sekunde merkt man, dass mit dem Orchesterchef Anthony Bramall ein versierter Dirigent am Werk ist, zudem ein Theatermensch, der sich von historisierender Theorie nicht ankränkeln lässt. Deswegen ist es auch schön, dass die Bildregie des Livestreams aus dem leeren Zuschauerraum des Gärtnerplatztheater sowohl Bramall als auch die hellwachen Musiker in Einzelportraits einfängt.
Dieses halb sprachliche, halb musikalische Format ist offenbar für die filmische Übertragung in Notzeiten besonders gut geeignet - was nicht heißt, dass man sich als Zuhörer daran gewöhnen wollte. Jutta Speidels ausdrucksvolle Mimik muss man im Theater erleben, genau so wie die sprechende Artikulation des Gärtnerplatzorchesters.
Der Mitschnitt bleibt bis zum 2. Februar (23 Uhr) auf der Website des Theaters unter www.gaertnerplatztheater.de online.
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