Dima Slobodeniouk dirigiert: Aus einem Noteinsatz wird ein Erfolg

München - Taktwechsel sind eine vertrackte Sache. Igor Strawinsky ist berühmt für sie und berüchtigt. In seinem Oktett für Blasinstrumente etwa muss der Dirigent nicht nur immer wieder sein Schlagschema ändern, sondern manchmal sind sogar die einzelnen Schläge unterschiedlich lang.
Programmhefte schon gedruckt: Slobodeniouk springt kurzfristig für Mikko Franck ein
Dima Slobodeniouk beherrscht diesen unregelmäßigen Tanz aus dem Effeff und schafft es, dabei immer noch Lockerheit auszustrahlen. Mehr noch: Nicht nur sind die einladend großen Bewegungen seiner langen Arme gut zu verfolgen, er verfügt auch über die takttechnische Virtuosität, in die Gesten noch rechtzeitige Einsätze für die Bläsersolisten einzubauen.
Als wäre das alles nicht genug, braucht der in Moskau geborene, aber größtenteils in Finnland ausgebildete Dirigent für diese meisterliche Leistung offenbar nicht einmal besonders viel Vorbereitungszeit: Die Symphonie Nr. 4 von Robert Schumann, die den Münchner Philharmonikern so kantabel wie leidenschaftlich gelingt, hat Slobodeniouk selbst mitgebracht. Das Oktett aber und das eher noch kompliziertere Violinkonzert von Strawinsky hat er so kurzfristig von seinem erkrankten Kollegen Mikko Franck übernommen, dass die Programmhefte schon gedruckt waren.
Slobodeniouk dirigiert: In der Isarphilharmonie wird mit höchstem Detailbewusstsein musiziert
Die je vier Holz- und Blechbläser der Münchner Philharmoniker können sich in der Isarphilharmonie sicher fühlen wie in Abrahams Schoß und machen wirklich Musik: Die Trompeten singen wie weiland Maurice André, die Posaunen setzen ihre Akzente mit butterweichem Ansatz, während die Fagotte lustvoll krähen oder tief rumpeln und Flöte und Klarinette das ausbalancierte Tutti mit ihrem bunten Glasperlenspiel verzieren.
Mit Frank Peter Zimmermann hat Dima Slobodeniouk vor einigen Jahren schon sehr harmonisch zusammengearbeitet. Die Nonchalance, mit der sie in Strawinskys Violinkonzert kommunizieren, hat fast etwas Aufreizendes: Ist doch alles nicht so schwer.
Die feinjustierte Mechanik der Münchner Philharmoniker darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit höchstem Detailbewusstsein musiziert wird. Zimmermann kratzt seinen Geigenton für die echt falschen Barockformeln apart auf, zelebriert all die rhythmischen Irregularitäten und Verrückungen als Befreiung, lächelt der Konzertmeisterin zu, die für eine Episode zu seiner Co-Solistin wird. Wie sonderbar: In der Musik ist es für alle Beteiligten schön, wenn ein Noteinsatz zum Erfolg wird.