Die Toten Hosen in der Oly: Nächte wie diese

Ihre aktuelle Single stürmt alle Hitparaden. Schön, aber auch nicht einfach für die Toten Hosen, die noch immer die Punk-Pose pflegen. Am Samstag spielten sie vor 15.000 Fans in der Olympiahalle.  
von  Arno Makowsky

Ihre aktuelle Single stürmt alle Hitparaden. Schön, aber auch nicht einfach für die Toten Hosen, die noch immer die Punk-Pose pflegen. Am Samstag spielten sie vor 15.000 Fans in der Olympiahalle.

München - Im Grunde kann man „Tage wie diese“ ja nicht mehr hören. Ein schöner Song, aber totgenudelt von den Hitstationen, eingekocht in die Mainstreamsülze zwischen Rihanna und Bruno Mars, kaputtgelabert von nervtötenden Radioschwätzern. Dass Campino dieses Lied vor 6000 betrunkenen Wiesnbesuchern im Bierzelt gegrölt hat – das war im Vergleich zu der Chart-Vereinnahmung schon fast eine Ehrenrettung.

Wie also würden die Toten Hosen in der, logisch, ausverkauften Olympiahalle ihren aktuellen Supererfolg rüberbringen? In Heldenpose, als letzte Zugabe? Nein. Sie spielen „Tage wie diese“ routiniert herunter, am Ende eines ersten Sets, es klingt wie auf der CD, stimmungsvoll, rote Scheinwerfer, das war’s.

Schnell sind die Hosen wieder auf der Bühne – und jetzt geht das Konzert erst richtig los. Als wollten sie sagen: Leute, wir scheffeln ordentlich Geld mit diesem Song, nehmt es uns nicht übel. Wir sind trotzdem noch die alten. Von der ersten Minute an gibt die Band Vollgas, Breitis Gitarre kracht ins Rund der fünfzehntausend Fans, Campino röhrt los, „Ballast der Republik“ – Die alten Panzer sind verrostet, wir sind wieder vereint, heute quälen uns mehr Sorgen, die Kohle wird verheizt. Kein Kitsch, kein Bombast. Stattdessen: Cool und schnörkellos peitschen die Toten Hosen ihre Nummern durch.

Immer mit dieser unwiderstehlichen Mischung aus Gefühlspunk, politischer Correctness und komplettem Schwachsinn. Neben Polit-Songs wie „Europa“, das vom Schicksal der Bootsflüchtlinge handelt – Und wenn sie nicht gestorben sind, sterben sie noch heute – haben sie natürlich auch die alten Sauflieder im Programm.

Beim überwiegend jungen Publikum kommen etwa die „Zehn kleinen Jägermeister“ ziemlich gut an. Das kennen die Kids aus ihren Clubs – wenn nicht das Lied, so doch das Getränk. Campino, der grandiose Performer, gelingt der Spagat zwischen Betroffenheit und Blödsinn mit Ironie und Leichtigkeit.

Am Morgen nach seinem Wiesn-Auftritt, erzählt er, sei er „nach fünf Maß Bier bei meinem Kumpel im Keller“ aufgewacht, um den Hals ein Herz ausgerechnet mit dem FC Bayern-Slogan „Mia san mia“. Und obwohl ihm diese Story kein Mensch glaubt, lässt sie ihn doch sympathisch erscheinen, ohne peinlich-anbiedernd zu wirken.

Überhaupt der 50-jährige Campino: Der Mann singt, schreit, röchelt, gurgelt, kreischt, spritzt währenddessen mit Wasserflaschen herum und wirft sich als Stagediver auf die Fans in den ersten Reihen. Und gerade, als man denkt, naja, gute Vorstellung, aber 30 ist er auch nicht mehr, sagt die Begleiterin: „Boah, sieht der super aus!“ Mehr als zwei Stunden geben die Hosen alles – wie üblich. Ihren Erfolg seit 30 Jahren verdanken sie nicht Tagen, sondern Nächten wie diesen.

 

 

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