Die Sitzordnung macht die Musik
Er trägt keine Mähne und hat auch keinen Lockenkopf. Seine Gesten sind sparsam. Iván Fischer ist kein Pultvirtuose, und weil seine Auftritt so normal sind, fällt er einem kaum ein, wenn von den großen europäischen Dirigenten und Orchestererziehern die Rede ist.
Aber er gehört unbedingt dazu. Es ist schon staunenswert, wie lyrisch-liedhaft Fischer den Kopfsatz von Gustav Mahlers Neunter in der Philharmonie begann und ganz unvermittelt in eine nervöse Spannung hinüberwechselte. Er pointierte die Symphonie dramatisch, aber er schielte nicht mit Überdruck auf den billigen Beifall und den vordergründigen Effekt.
Im Scherzo legte Fischer die Herkunft der Musik aus Operette und Militärmusik offen, ohne mit seinen Musikern vulgär zu werden. In der Rondo-Burleske störte die Klarinette frech das Idyll im Mittelteil, ehe das Satz angemessen brachial schloss.
Das von Budapest Festival Orchestra kultiviert einen sehr warmen, mitteleuropäischen Klang. Aber es verfügt über ein schneidendes Blech und amerikanisch brillante Bläser. Die Wendigkeit, mit der je nach Bedarf beide Stärken ausgespielt werden, setzte einen in beträchtliches Erstaunen.
Auch als Gast der Münchner Philharmoniker hat Fischer schon erfolgreich mit der Orchesteraufstellung experimentiert. Diesmal entschied er sich für die klassisch-deutsche Sitzordnung mit einer Kontrabass-Reihe auf der höchsten Ebene, die – wenigstens für eine hintere Reihe in Block C – für eine dunkle Grundierung sorgte. Die Hörner saßen links und antworteten den Posaunenrufen von rechts. Auch die Gespräche zwischen den gegenüber sitzenden ersten und zweiten Geigen waren viel deutlicher als in der modernen Aufstellung und der Klang insgesamt viel stärker aufgefächert und farbiger, als man es sonst in der Philharmonie gewöhnt ist.
Höhepunkt der Aufführung war das Adagio-Finale: Fischer reizte hier alle dynamischen Extreme aus und animierte den Solo-Cellisten zu einem tragfähigen und dennoch leisen dreifachen Piano.
Bei diesem außerordentlichen, aber leider nicht besonders gut besuchten Abend zweifelte man keine Sekunde an der vermaledeiten Gasteig-Akustik.
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