"Die schöne Müllerin" im Prinzregententheater: Aufbrechende Sehnsüchte

Ein junger Mann steht da vor uns, mit machtvoller Stimme, einer, der gewohnt ist, tatkräftig mit anzupacken, sich dabei aber immer noch federnd bewegt. Andrè Schuen strahlt in seiner Haltung unerschütterliche Ruhe aus, Mimik und Gestik sind reduziert, er macht alles allein mit der Stimme. Sein Bassbariton ist gefärbt wie Ebenholz, individuell, kantig konturiert, ohne dabei klobig zu wirken, mit einer gut verankerten Tiefe, die nicht alle Kollegen seiner Generation haben (er selbst ist Ende Dreißig).
Vom Text versteht man jede Silbe, während umgekehrt auch im halblaut Gesungenen oder Gesprochenen viel an stimmlicher Substanz erhalten bleibt. Diese Vorzüge würden allein schon einen angenehmen Abend garantieren. Doch Andrè Schuen gelingt es, auf der Bühne des Prinzregententheaters noch eine weitere Dimension zu eröffnen. Er entwirft für die "Schöne Müllerin" von Franz Schubert eine eigene, vollgültige Persönlichkeit.
Ein zutiefst anständiger Jüngling
Hier singt ein zutiefst anständiger Jüngling, geradeheraus, wie man so sagt, der über die Sehnsüchte, die in ihm aufbrechen, erstaunt, ja, erschrocken ist. Wenn so einer von der Liebe enttäuscht wird, dann trifft es ihn direkt in die Tiefe der Seele. Nach dem lustigen Wanderschritt der Lieder des Eingangs wirkt die erste Verliebtheit umso wundersamer. Schuen und sein Pianist Daniel Heide, der in "Wohin?" rhythmisch phänomenal anspringend begleitet hatte, flüstern auf einmal nur noch, andächtig, wie verzaubert. Der Sänger, gebürtiger Südtiroler, scheint sogar in einen Juchzer auszubrechen.
Auch für den "Jäger", der erste Eifersucht schürt, bringt Schuen Wut und Virtuosität auf, ohne auch nur einen Konsonanten der dahinrasenden Silben zu verschlucken. Als aber die Verletzung durch den lieben Schatz geschehen ist, scheinen er und Daniel Heide jeden Halt zu verlieren. Die vorher so rotbäckigen Tempi kippen in die Resignation, die tödliche Traurigkeit der "Lieben Farbe" fährt dem Publikum spürbar tief ins Herz, aus der Klavierbegleitung lässt Daniel Heide jegliches Leben entweichen. Sie erstarrt. "Des Baches Wiegenlied" weht schon aus dem Jenseits herüber.
Die CD mit Schuens Aufnahme der "Müllerin" erschien bei der Deutschen Grammophon