Die Rückkehr der großen Besetzung
München - Es passiert nicht selten, dass die Zugabe alles vorher Gehörte einfach wegwischt.
Nach der Uraufführung des gelungenen, aber doch etwas harmlosen Mandolinenkonzerts der amerikanischen Komponistin Jennifer Higdon kehrte der Solist Avi Avital noch einmal auf das Podium zurück und begann ganz leise, mit ein paar gebrochenen Akkorden über einen bulgarischen Volkstanz zu improvisieren.
Ein unglaubliches Klanggewitter
Der verdichtete sich zu einer Klangwolke, und dann entlud sich im Fortissimo ein unglaubliches Klanggewitter, das niemand einer unverstärkten Mandoline zutrauen würde. Zu Jimi Hendrix auf der E-Gitarre war es nur ein kleiner Schritt. Und da dachte man sich: Hätte er das doch mal Frau Higdon vorgespielt.
Die hat im Auftrag Avitals, der Münchner Philharmoniker und diverser US-Institutionen ein grundsolides Konzert komponiert, dem es mit einem Crossover aus Kino und Strawinsky erstaunlich gut gelingt, das eigentlich Unmögliche zu erreichen: ein halbwegs angemessenes Zusammenspiel zwischen Partnern sehr ungleicher Grundlautstärke.
Klischees werden umgangen
Auf ein zartes Solo antwortet erst das Vibrafon, ehe dezent einzelne Gruppen des Orchesters hinzutreten. Auf einen eher lyrischen Satz folgt ein motorisches Finale, in dem sich beide Seiten nichts schenken.
Weil die Musik nie schwatzhaft wird und Klischees aus andalusischen Gärten aus dem Weg geht, fühlt man sich auch als regelmäßiger Besucher der musica viva nicht auf den Arm genommen, sondern gut unterhalten, was auch nicht zu oft vorkommt.
Aber erst bei der Zugabe erfährt man, dass sich aus der Mandoline doch mehr herausholen lässt als gebrochene Akkorde und hingehauchte Melodielinien.
Die große Streicherbesetzung ist zurück
Danach bauten die Orchesterwarte für Maurice Ravels Orchesterfassung von Modest Mussorgskis "Bildern einer Ausstellung" um. Zum ersten Mal seit über einem Jahr spielte das Orchester wieder in großer Streicherbesetzung mit acht Kontrabässen.
Der Saxofonist und der Tubist interpretierten ihre Soli zwar erheblich subtiler wie manche ihrer Kollegen in anderen Orchestern. Trotzdem blieb die Aufführung ein wenig pauschal.
Schwierige Verbindung von Verlangsamung und Steigerung
Beim "Großen Tor von Kiew" funktionierte die Verbindung aus Verlangsamung und Steigerung nicht wirklich, auch wegen eines teilweise zu diskreten Beckens.
Und bei allen, die Sergiu Celibidache noch live erlebt haben, spielen die Münchner Philharmoniker bei diesem Stück noch lange gegen sich selbst und die Erinnerung an. Da wird es noch eine Weile dauern, bis wenigstens ein Remis erreicht wird.
Avi Avital spielt am 25. Juni um 20.00 Uhr noch ein Kammerkonzert im Carl-Orff-Saal mit Musikern des Orchesters.
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