Die Pläne der Münchner Philharmoniker in der kommenden Saison
Ein Jahr des Abschieds vor dem Neuanfang: Die Ära Lorin Maazel geht in die Zielgerade
Viel geschlafen hat der Intendant in den letzten Tagen nicht: Um zehn Uhr ist Paul Müller am Münchner Flughafen gelandet. Das gewiss stressigste Gastspiel der Philharmoniker in letzter Zeit liegt hinter ihm: Nach der Erkrankung von Lorin Maazel musste der Intendant für den Auftritt des Orchesters in der New Yorker Carnegie Hall die Einspringer Valery Gergiev und Fabio Luisi auftreiben.
Aber die Mühe hat sich gelohnt: Besondere Umstände setzen eben besondere Energien frei. Wer gehört hat, was Fabio Luisi in nur einer Probe aus dem Orchester herausgekitzelt hat, möchte diesen Dirigenten schnellstmöglich auch wieder in München erleben.
In der nächsten Saison, die Müller nur vier Stunden nach der Landung vorstellte, ist Luisi natürlich noch nicht vertreten. Die Spielzeit 2014/15 dreht sich ganz um Maazel, der sich als Chefdirigent verabschiedet und dessen 85. Geburtstag groß gefeiert wird.
Maazels Greatest Hits
Maazel wird sich seine Lieblingsstücke vornehmen: die Alpensinfonie von Strauss, Bruckners Siebte, Dvoráks „Aus der Neuen Welt“ und Puccinis Opern-Western „La fanciulla del West“ in Konzertform. Bevor er sich mit Wagners „,Ring’ ohne Worte“ verabschiedet, begeht er den Ehrentag am 6. März 2015 dirigierend mit eigenen Werken wie „Monaco-Fanfares“ und dem Cellokonzert. Eine Aufführung von Rodion Shchedrins Konzert-Oper „The Echanted Wanderer“ schlägt die Brücke zu seinem Nachfolger: Man darf wetten, dass auch Gergiev Werke des in München lebenden Russen aufführen wird.
Bei den Gastdirigenten gibt es keine Überraschungen. Kent Nagano kombiniert Strawinskys Psalmensymphonie mit einer Messe von Bruckner. Ehrendirigent Zubin Mehta beschert uns Tschaikowskys „Pathétique“. Andere Konzerte werden von Alan Gilbert, Pablo Heras-Casado, Paavo Järvi, Semyon Bychkov und Dan Ettinger dirigiert.
Bei der neueren Musik halten sich die Philharmoniker traditionell zurück: Immerhin, ein Auftragswerk gibt es: Jan Müller-Wielands Spektakel „Egmonts Freiheit“, das Johann Wolfgang von Goethe und die „Letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus unter Mithilfe des Schauspielers Klaus Maria Brandauer zusammenzwingt.
Der künftige Chef Valery Gergiev macht eine Pause – das ist zur Steigerung der Spannung in der Saison vor einem Wechsel üblich. Natürlich wollten die anwesenden Journalisten auch wissen, wie Müller die Stimmungslage im Orchester nach den zweifelhaften Äußerungen des Dirigenten zur Diskriminierung Homosexueller in Russland und zur Annexion der Krim einschätzt. Aber dazu äußert sich der Intendant so diplomatisch wie nichtssagend.
Einen weiteren Groll wird Müller auch befrieden müssen: Der Geiger Vadim Repin soll stinksauer sein, weil Gergiev sein Festival in Nowosibirsk sausen ließ, um den Philharmonikern in New York beizuspringen. Er debütierte kurzerhand selbst als Dirigent. Wer weiß – die erstaunlichsten Karrieren haben so begonnen.