Die katholische Kirche bezahlt Musiker schlecht
Von einem "Osterstreik" zu sprechen, wäre übertrieben. Aber unter Musikerinnen und Musikern, die bei Orchestermessen an hohen Festtagen in katholischen Kirchen in München und auch der übrigen Erzdiözese auftreten, wächst der Unmut über die schlechte Bezahlung. Die Unzufriedenheit führt dazu, dass offener als sonst im Kunstbereich üblich, auch über Beträge gesprochen wird.
Seit dem Ende der D-Mark seien 150 Euro für solistische Auftritte bei Gottesdiensten üblich, heißt es. Eine Erhöhung hat es in den vergangenen 23 Jahren nicht gegeben. In manchen Pfarreien scheint es üblich zu sein, die Gagen zu drücken. Das geht jedenfalls aus Debatten in einer WhatsApp-Gruppe hervor, in der über 200 Musikerinnen und Musiker darüber diskutieren, wie eine gerechtere Bezahlung zu erreichen wäre.
Kein Osterstreik, aber er wäre fällig
Wer ein Soli in Haydns "Nicolai"-Messe, der Messe in C-Dur vom Beethoven oder der "Krönungsmesse" von Mozart singt, hat eine Hochschulausbildung hinter sich. Die überwiegende Mehrzahl sind freie Musiker, die sich von Projekt zu Projekt hangeln, vom Unterrichten leben oder außerhalb der Musik arbeiten.
150 Euro klingen erst mal nicht schlecht. Dafür muss man aber üblicherweise um 8.30 Uhr vor der Messe zu einer Probe erscheinen und ist dann bis Mittags beschäftigt. Wenn man die nötige Vorbereitung im Selbststudium, zwei Stunden für den Hin- und Rückweg einrechnet, ist man schnell beim gesetzlichen Mindestlohn von 12,85 Euro. Oder auch darunter. Und versteuert werden muss die Gage auch noch. Und wer nicht singt, sondern ein Instrument spielt, hat weitere Kosten.
Ganz unten: Der Pfarrverband Holzkirchen
Der Diözesanmusikdirektor Stephan Zippe lässt durchaus Verständnis für die Kritik durchblicken. Er verweist darauf, dass es keine festen Sätze gebe und das Honorar Verhandlungssache sei. Von Musikern ist zwar zu hören, dass unter dem Siegel der Verschwiegenheit manchmal auch 180 Euro bezahlt werden. Aber es könne auch sein, dass man sich eine schroffe Absage einhandle und nicht mehr angefragt werde.
Die in der WhatsApp-Gruppe organisierten Musikerinnen und Musiker liebäugeln mit den Mindestsätzen der Musikergewerkschaft Unisono, der früheren Deutschen Orchestervereinigung. Deren Richtwert für ein Tageshonorar liegt bei 400 bis 675 Euro, je nach Aufwand und dem Dauer der Anreise.
Kein Eintritt, daher eniger Geld
Zippe weist darauf hin, dass diese gewerkschaftliche Richtwerte Konzerte betreffen, für die im Unterschied zu Gottesdiensten ein Eintritt verlangt wird. Für solche Veranstaltungen sei der Aufwand höher und die Probenzeit auch länger. Die musikalische Begleitung einer Messe habe aus seiner Sicht auch einen ehrenamtlichen Faktor.
Finanziert wird die Kirchenmusik durch die Pfarreien selbst. Die wiederum seien als Stiftungen organisiert. Manche Pfarreien hätten mehr Einnahmen - etwa durch den Ertrag aus Grundstücken oder anderen Quellen. Von Musikern ist beispielsweise zu hören, dass etwa die Stadtpfarrei St. Peter mit Honoraren nicht knausere: Hier wird die Kirchenmusik über den Eintritt für die Turmbesteigung finanziert.
Am anderen Ende der Skala befindet sich dem Vernehmen nach der Pfarrverband Holzkirchen: Hier soll das Jahresbudget für Kirchenmusik insgesamt 300 Euro betragen, was das Aus für professionelle Kirchenmusik bedeute. Auch in München soll es sehr sparsame Pfarreien geben, die selbst an Heiligabend nur 80 Euro zahlen wollen.
Überangebot von Musikerinnen und Musikern in München
Unter Musikern ist die Ansicht verbreitet, dass in München besonders schlecht bezahlt werde, weil das personelle Angebot besonders grüß sei. Die vielen Festangestellten in den Orchestern, die nebenbei dazuverdienen, bilden eine weitere Konkurrenz. Ein Nein bei Verhandlungen bringe oft wenig, weil man fast immer jemanden finde, der für eine noch geringere Gage spiele. Als Beispiel für eine angemessene Bezahlung gelten 400 Euro zuzüglich Hotel- und Reisekosten, die der Essener Dom für einen solistischen Auftritt an Ostern zahle. Dabei dürfte es sich um einen Maximalbetrag handeln.
Ein Boykott der Ostermessen scheint nicht vorstellbar, Streikposten vor den Kirchen würde von Gottesdienstbesuchern kaum goutiert. Die Lobby der Musiker in der Erzdiözese ist eher schwach, die Kirchenverwaltungen meinen oft, Solisten seien verzichtbar.
So bleibt es bei einem Appell, dass professionelle Musik zu einem festlichen Gottesdienst gehört. Und eine gewisse Resignation: "Wir Musiker haben in den Corona-Jahren deutlich zu spüren bekommen, wie wenig der Gesellschaft die Kultur wichtig ist", schreibt eine Musikerin.
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