„Die höchste Eisenbahn“ im Club Strom
Was muss das für eine Grübelei sein, wenn die Jungs, besser, Männer von „Die höchste Eisenbahn“ an ihren Songs feilen: Nicht schlicht geht es hinein ins Gefühl, nein, als Zuhörer muss man gehörig aufpassen, um den Geschichten, Gedanken, One-Linern des Berliner Quartetts folgen zu können. Schnell ist er weg, der Sinn, wie ein Express-Zug, der aber durch solche fein geschmirgelten Deutsch-Pop-Landschaften fegt, dass es schon wieder egal ist, wenn mal eine Textperle durchs Ohr plumpst.
Sowieso: Sich fallen lassen, Kopf ausschalten, ist gut. Heißt es doch in dem Song, mit dem sie ihr Konzert im ausverkauften Strom beginnen und der auch ihr zweites Album eröffnet: „Wir haben so lange nachgedacht, bis wir wütend waren.“ Eben. Von Wut kann an diesem Abend jedoch kaum die Rede sein. Vielmehr ergibt sich eine Wärme, ein Genuss am Gefühl, den sich heutige Männer leisten dürfen. Gerade Männer mit Bärten, wobei Felix Weigt am Keyboard sich endlich mal rasiert hat.
Als Moderatoren beweisen die Sänger Francesco Wilking und Moritz Krämer beständiges Stand-Up-Talent; die Ironie ist in ihren Stegreif-Geschichten noch lange nicht tot, kann aber kontrolliert für den nächsten Song ausgeknipst werden. Lustig, wenn Wilking nach längerem Anlauf von einer Begegnung mit – dem sicherlich bärtigen – Reinhold Messner im Zug auf dem Weg nach München erzählt. Und natürlich bildete sich eine Menschenschlange, die ein Selfie mit dem Yeti-Entdecker ergattern wollte.
Schau in den Lauf, Hase
Nach einem Bild vom Ich fahnden die Vier auch in ihren Songs, der Pop geht dezent mal in den Soul, streift die Disco oder hüpft, bei „Schau in den Lauf, Hase“, in den Afro-Beat, derweil die Wohlklangidentität niemals verloren geht. Trotz der Vorliebe fürs Harmonische langweilt das Konzert nie: Gerne wechseln sie mittendrin den Rhythmus vom Up-Tempo ins Balladig-Langsame und gegen Ende dürfen die Zuhörer zum krisengeschüttelten Refrain „Was machst du dann?“ reinsingen.
Während Schlagzeuger Max Schröder allein die Drums sprechen lässt, beweisen sich Wilking, Krämer und Weigt als Multi-Instrumentalisten, die zwischen Bass, Piano und Gitarre wechseln können, ohne dass der Klang jemals leiden muss. Alles im Fluss, was schön ist, aber wer zu viele Freiheiten genießt, hat Probleme: „Wenn du die Wahl hast, wirst du wahnsinnig, weil alles geht“, singen sie, und man ist schon froh, sich an diesem Abend für „Die höchste Eisenbahn“ entschieden zu haben. Hier durfte sogar eine „Blume“ in Harmonie blühen, ohne dass man sich schämen musste. Liebe kann kein Kitsch sein, wenn sie musikalisch klug verpackt wird. Beziehungsweise: Wer will darüber schon grübeln?
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