Die britische Popsängerin Birdy - die AZ-Kritik

Wenn Meerjungfrauen fliegen Oder lügen? Birdy war in der Muffathalle
Irgendwie lügen sie ja alle, die Jungen genauso wie die Alten, wobei das Flunkern gar keine böse Sache sein muss. Magnum, die hartgesottenen Dinosaurier des Melodic Rock, sind gerade auf ihrer „Divine Lies“-Tournee und machten am Montag Zwischenlandung im Ampere.
Gleichzeitig lockte Birdy nebenan in die größere Muffathalle, ihre Tournee betitelt nach ihrem neuen Album: „Beautiful Lies.“ Göttliche Lügen also versus schöne Lügen, die Wahrheit ist doch eh hässlich, und draußen vor beiden Hallen teilte sich das Publikum säuberlich auf: Die Älteren wanderten zu Magnum, die Jüngeren zu Birdy. Und während man sich noch überlegt, ob die Texte der 19-jährigen Birdy, ihre Gedanken zu Liebe, Trennungsschmerz, Einsamkeit und anderen Befindlichkeiten sowie ihr bereits nach drei Alben glatt laufender Pop-Sound nicht etwas frühreif sind, sieht man den 23-jährigen Dan Owen auf der Bühne: ein Junge aus England an der Gitarre als Vorband, dessen Stimme so kraftvoll den Blues hinkriegt, dass man meinen möchte, er habe schon mindestens eine Midlife-Crisis hinter sich gebracht.
Vor dem Song „Splinter“ erzählt dieser Owen davon, dass man aufpassen müsse: So ein Spreißel im Finger könne ins Herz hinunterwandern und einen umbringen. Klar, die Jugend kokettiert mit dem Tod und ist nicht mehr grün hinter den Ohren.
Grün ist bei Birdy allein ihr Kostüm, ein Kleid mit Pailletten, das sie wie eine Meerjungfrau erscheinen lässt, der Sirenengesang eine Selbstverständlichkeit. So abgeklärt ist ihr Auftreten, dass von ersten Flugversuchen keine Rede mehr sein kann: Praktisch keine Moderation, da ist Jasmine van den Bogaerde alias Birdy verhalten, aber präzise ist ihr Flügelspiel und treffsicher ihr Gesang, den man nicht engelsgleich oder abhebend nennen möchte.
Aber wie sonst? Ein Geiger unterstreicht die Pianoballaden, aber alles ist wohl dosiert, der Sound kompakt, und das Songmaterial von drei Alben abwechslungsreich genug, dass sich keine Längen einschleichen. Mit „Growing Pains“ beginnt das Konzert, dem Opener des neuen Albums, aber das leicht Asiatische des Songs verflüchtigt sich und macht Platz für einen Pop, der mit seinem Drive auch den Schmerz einer abgebrochenen Liebesbeziehung überrollt: „I will survive and be the one who’s stronger“, singt Birdy bei „Wild Horses“, und sie meistert ihre Soloeinlagen am Flügel genauso wie einen Ausflug an die Gitarre, unterstützt von einer makellosen Band.
Gemeinsam zaubern sie einen Abend hin, bei dem sich auch platonische Freunde umarmen möchten. Kein bitterer Splitter dringt ins Herz vor, sondern es ist eine jugendliche Melancholie, die einfach schön klingt, ohne dass man noch extra viel lügen müsste.