Der Worte sind genug gewechselt
Wollen Staat und Stadt gemeinsam den Gasteig und den Herkulessaal sanieren? Das wäre das Aus für den Konzertsaal-Neubau im Finanzgarten
Vor knapp zwei Jahren umrahmte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks den Neujahrsempfang des Bundesratspräsidenten. Der hieß damals Horst Seehofer. Und der hatte anschließend eine schwache Sekunde: Er versprach den Musikern und ihrem Chefdirigenten Mariss Jansons die Erfüllung ihres größten Wunsches: den Neubau eines Konzertsaals in München. „Und wenn die Hofer Symphoniker Geld brauchen, dann kriegen sie das auch“, sagte Seehofer in Richtung Provinz, weil er schon mal die Spendierhosen an hatte.
Es war ein 100-Millionen-Euro-Versprechen. Passiert ist seitdem wenig. Der Konzertsaalbau gehört zwar zum Regierungsprogramm. Es wurde Geld für allerlei Gutachten ausgegeben und Arbeitskreise beschäftigt. Anscheinend hat der Populist Seehofer inzwischen gerochen, dass – abgesehen von einer rührigen Minderheit von Klassikfans – die Öffentlichkeit nicht wirklich in Begeisterung über das Projekt ausgebrochen ist. Und einen unumstrittenen Standort gibt es auch nicht.
Wo sollen die Orchester spielen, wenn der Gasteig saniert wird?
Der jüngste taktische Rückzieher datiert auf das Wochenende: Die SZ hat von einem Geheimtreffen erfahren, an dem Seehofer, Kunstminister Ludwig Spaenle, Oberbürgermeister Dieter Reiter und der städtische Kulturreferent Hans-Georg Küppers teilgenommen haben. Mit dem Ergebnis: Der Freistaat steigt bei der Sanierung des städtischen Gasteig ein, außerdem macht der Staat aus dem Herkulessaal einen modernen Konzertsaal.
Das würde das Aus für den Neubau im Finanzgarten bedeuten, den der Verein Konzertsaal Marstall favorisiert. Dieser Standort liegt zwar zentral und bedarf einer städtebaulichen Aufwertung. Aber er ist ein Landschaftsschutzgebiet. Richard Quaas, der kulturpolitische Sprecher der Stadtrats-CSU, hat den Antrag eingebracht, den Park von einer Bebauung zu verschonen. Er wird vom Bund Naturschutz unterstützt, und sollten wirklich Bäume an der Galeriestraße gefällt werden, ist ein Image-Desaster für den Konzertsaal zu befürchten.
Andere zentral gelegene Bauplätze in staatlicher Hand scheint es nicht zu geben. Die Großmarkthalle wird erst in mehr als einem Jahrzehnt frei. Und die Konzertsaalfans scheinen auf die Innenstadt festgelegt zu sein, obwohl vieles dafür sprechen würde, eines der vielen Neubaugebiete im Westen oder Norden mit einem Kulturzentrum aufzuwerten, wie das etwa ähnlich in Frankreich geschieht.
Die Münchner werden auf die Elbphilharmonie neidisch schauen
Langsam drängt die Zeit. Die Sanierung des Gasteig lässt sich vielleicht noch fünf Jahre aufschieben. Wenn das Kulturzentrum am Isarhochufer wegen Renovierung ausfällt, hat die Musikstadt München ein Problem: Wo sollen dann die Münchner Philharmoniker, das BR-Symphonieorchester und die vielen internationalen Gastorchester auftreten? Wie überleben die privaten Veranstalter diese Zeit?
Ein rasch gebauter staatlicher Konzertsaal könnte die Lösung sein. Zumal private wie öffentliche Veranstalter und diverse Gutachter versichern, dass die Nachfrage im wachsenden Großraum München für einen dritten Saal neben dem Gasteig und dem eher unwirtlichen Herkulessaal ausreichen würde. Und eins ist auch sicher: Wenn in ein paar Jahren die Elbphilharmonie fertig wird, werden sich die zaudernden Münchner ärgern, dass sie keinen neuen Konzertsaal haben.
Seehofer fürchtet wohl, bei einem teuren Neubau in München von der darbenden Provinz abgestraft zu werden. Auch die Konzertsaalfans müssen einsehen, dass es einen Neubau nur im breiten Konsens geben wird, der sich am Finanzgarten eher nicht abzeichnet, obwohl eine kühle Prüfung dieses Standorts durch einen Ideenwettbewerb noch aussteht.
Moderater Kompromiss?
Der Umbau von Gasteig und Herkulessaal könnte ein moderater Kompromiss sein, mit dem alle Beteiligten zähneknirschend leben könnten. Da der Staat überall in Bayern städtische Theater unterstützt, ist die Mitfinanzierung des Kulturzentrums am Isarhochufer juristisch weniger problematisch, als viele denken.
Den großen Schub und die andernorts längst angestoßene Verjüngung des Klassik-Publikums würde die Doppelsanierung kaum mit sich bringen. Aber Ministerpräsident Horst Seehofer soll sich endlich entscheiden, ob er sein gegebenes Wort hält oder es zu brechen gedenkt. Zu viele Arbeitskreise haben bereits folgenlos und unter Ausschluss der Öffentlichkeit über den Konzertsaal beraten.
Das neue Jahr sollte Klarheit bringen. Denn die Debatte über den Konzertsaal nervt langsam mit ihrem ewigen Austausch immergleicher Argumente.