Der Pianist Daniil Trifonov spielt Tschaikowsky

Der russische Pianist Daniil Trifonov spielt an diesem Samstag bei Klassik am Odeonsplatz
von  Christoph Forsthoff
Der Pianist Daniil Trifonov.
Der Pianist Daniil Trifonov. © Deutsche Grammophon

Er ist der neue Superstar des Klaviers. Seine Technik ist grandios, und noch mehr überwältigt seine pure Musikalität und seine Fähigkeit, alte Kompositionen neu zu deuten. Beim ersten Abend von „Klassik am Odeonsplatz“ spielt er das Klavierkonzert Nr. 1 von Peter Tschaikowsky. Begleitet wird er von den Münchner Philharmonikern unter Valery Gergiev.

AZ: In aller Welt werden Sie als Tastengenie bejubelt – sehen Sie sich als Superstar?

Daniil Trifonov: Ein Künstler sollte sich nicht auf solch eine Frage konzentrieren, sondern hat zu allererst selbstkritisch zu sein. Es ist wichtig, niemals aufzuhören zu lernen und neugierig zu sein. Das Klavierrepertoire ist eines der größten und umfangreichsten, das für Instrumente geschrieben worden ist, und das Wichtige und Entscheidende ist, sich auf die Erarbeitung neuer Werke zu konzentrieren, um das eigene Repertoire zu erweitern.

Alle Welt schwärmt von Ihrer fantastischen Technik – ist sie das Ergebnis harten Drills während Ihrer Kindheit?

Ich hatte das große Glück, mit Tatiana Zelikman und Sergei Babayan zu studieren – zwei unglaublichen Musikern. In ihrem Unterricht ging es allerdings nie um Technik, sondern die Gedanken kreisten stets um die Musik.

Sie komponieren seit Kindesbeinen. Inwieweit beeinflusst diese Arbeit als Pianist?

Es hilft mir, die Absicht und das Denken eines Komponisten besser zu verstehen wie auch die innere Logik und die Zusammenhänge in einem Werk. Und es beeinflusst vor allem den Lernprozess bei neuem Repertoire: Wenn ich eine Partitur studiere, erkenne ich etwa sofort, wo und wie eine Harmonie in eine andere übergeht – und das wiederum hilft, die Logik eines Komponisten nachzuvollziehen.

Sie sitzen am Klavier oft stark vornüber gebeugt, dass Ihr Kopf fast die Tasten berührt. Das fällt vielen Leuten auf…

Solche Regungen und Positionen des Körpers entspringen gemeinhin den Gefühlen, die ein Werk in mir hervorruft. Jeder muss da seinen Weg finden, wie er das ausdrücken kann, was er ausdrücken möchte – und zugleich sich bestmöglich auf die Musik konzentriert. Denn erst diese Fokussierung erlaubt einem, sich in die Musik zu vertiefen und tatsächlich alles andere außen vor zu lassen.

Es heißt, Sie seien für Ihr Studium von Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 in ein öffentliches Schwimmbecken gestiegen. Warum haben Sie das getan?

Das war eine physikalische Idee, denn der Widerstand im Wasser ist einfach viel größer und es bedarf weitaus weiterer stärkerer und konzentrierterer Fingerbewegungen. Ich habe das immer mal wieder gemacht – nicht zuletzt um zu testen, wie sich Schultern und Rücken schonen lassen.

Das ist Ihr Part der Vorbereitung auf ein Konzert – und was erwarten Sie umgekehrt als Solist vom Dirigenten und dem Orchester?

Bei einer Aufführung ist es sehr wichtig, die Aufmerksamkeit des Orchesters zu fokussieren, um die Energie sowie die Atmosphäre des Konzertes auf ein möglichst hohes Level zu bringen, wo tatsächlich ganz allein die Musik im Zentrum steht. Dann wird es nämlich möglich, während eines Konzertes tatsächlich eine einzigartige Geschichte zu erzählen.

Letzteres machen Sie nicht nur in München immer wieder gern mit Valery Gergiev wie auch jetzt bei Klassik am Odeonsplatz – wer führt in dieser Zusammenarbeit?

Ich habe mit Herrn Gergiev schon viele verschiedene Konzerte gespielt, auch mit ungewöhnlichem Repertoire. Natürlich musste ich nach meinem Gewinn des Tschaikowsky-Wettbewerbs gleich Peter Tschaikowskys erstes Klavierkonzert spielen…

…das ja auch jetzt wieder auf dem Programm steht…

… ja – doch auch Tschaikowskys zweites Klavierkonzert ist ein wunderbares, viel zu selten musiziertes Werk; oder etwa Strawinskys Konzert für Klavier und Blasorchester – und viele andere wie das dritte Konzert von Rachmaninow, das wir ja letzten Dezember im Gasteig aufgeführt haben.

Und wer gibt nun den Ton in ihrer Zusammenarbeit an?

(schweigt lange) Rachmaninows Kompositionsstil ist sehr polyphon, die Themen von Orchester und Klavier sind sehr miteinander verwoben und… (denkt intensiv nach) so sind Orchester, Pianist und Dirigent alle Teil eines großen Ganzen. Natürlich ist jedes Konzert anders, es lässt sich nie vorhersagen, wie man spielen wird, zumal sich auch die Akustik immer wieder ändert: Bei einem Konzert am Vormittag klingt das Klavier ganz anders als bei einem Konzert am Abend, denn nachts fällt die Temperatur und das hat negative Auswirkungen auf das Instrument, so dass man sich dem Klavier ganz anders nähern muss...

Apropos Annäherung: Die politische Situation zwischen Russland und Europa ist derzeit wieder einmal ziemlich angespannt – denken Sie darüber nach, wenn Sie in Westeuropa und Deutschland konzertieren?

(schweigt lange und atmet tief durch): Vor einer Aufführung… (grübelt angestrengt nach)… steht immer eine Vorbereitung für das Konzert – und wenn man sich dann in das Werk vertieft, denkt man an nichts anderes mehr. Ein Musiker im Konzert gleicht einem Priester in der Kirche: Wie dort das Wort ist hier die Musik etwas, das uns seelisch bereichern kann – daneben ist kein Platz für andere Gedanken.

Im Konzert zweifellos nicht, doch jenseits des Auftritts dürfte Ihnen die politisch angespannte Situation kaum entgehen, oder?

(sehr langes Schweigen): Wissen Sie, mein Terminkalender sieht im Jahr 140 Konzerte vor – das ist sehr viel… und… aber… ich will nicht… die Musik und die mit ihr verbundenen Dinge füllen mein Leben vollständig aus.

Sollten Musiker auch zu politischen Themen Stellung beziehen? Valery Gergiev oder auch Gidon Kremer äußern ja durchaus ihre Meinung zur Politik Putins.

(grübelt): … Nun, aufgrund meines dicht gefüllten Terminkalenders bin ich nicht imstande, die Geschehnisse in Russland so gut zu verfolgen, dass ich dazu eine angemessene Meinung äußern könnte. Wobei: Angemessen ist nicht das richtige Wort, besser sollte ich vielleicht sagen: eine sachkundige Meinung. Ich schaffe es einfach nicht, die Ereignisse intensiv und umfassend genug zu verfolgen, um darüber ein sachkundiges Urteil fällen zu können.

Odeonsplatz, Samstag, 20 Uhr, ausverkauft

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