Der Konzertsaal kommt ins Werksviertel
Zwischen der Pürreelinie oder Knödelgasse wird er gebaut. So lautet die Adresse des neuen Konzertsaals derzeit. Noch. Und inoffiziell. Aber da kann ja noch eine Mariss-Jansons-Straße draus werden, ehe Ende 2021 das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks seinen neuen Konzertsaal bezieht.
Gestern hat der Bayerische Ministerrat entschieden: Der neue Konzertsaal wird, wie erwartet, im ehemaligen Pfanni-Gelände hinter dem Ostbahnhof gebaut. „Das Werksviertel bietet die einmalige Gelegenheit, klassische und moderne Musik sowie Kunst in einem Kreativquartier zu vereinigen“, sagte Kunstminister Ludwig Spaenle nach der Kabinettssitzung zur Begründung. Und er fügte hinzu: „Das wird ein Steilflug. Aber nach oben.“
Zehn oder noch mehr Jahre wurde diskutiert. Über 40 Standorte waren im Gespräch. Eine vertiefte Untersuchung des Architekturbüros Albert Speer & Partner prüfte fünf mögliche Bauplätze. Sie favorisierte die Paketposthalle und das Werksviertel hinter dem Ostbahnhof. Diese Standorte wurden zuletzt eingehend geprüft. Letzte Woche meldeten sich noch einmal die unbelehrbaren Anhänger einer Betonierung des Finanzgartens zu Wort, der in der vorletzten Runde ausgeschieden ist.
Die belebende Nähe zur Popkultur
Für das Werksviertel sprach das hohe Entwicklungspotential: Die für Popkonzerte genutzte Tonhalle ist nah. In der Umgebung plant der Pfanni-Erbe Werner Eckart Künstler-Ateliers und Start-ups. Diese kreative und junge Umgebung könnte dem behäbigen Münchner Klassik-Betrieb guttun.
Ein zentrales Argument für den Osten Münchens waren die Kosten: Der Konzertsaal soll als staatliche Baumaßnahme auf Erbbaurecht entstehen. Der Erwerb des Grundstücks kostet 30 Millionen Euro in 50 Jahren. Ein Konzertsaal unter der Paketposthalle brächte nach Spaenles Einschätzung ein erhebliches finanzielles Risiko mit sich. Der Staat hätte den denkmalgeschützten Betonbogen für 45 Millionen kaufen müssen. Außerdem wären satte Beträge für den Brandschutz und andere Ertüchtigungen angefallen: zwischen 80 und 105 vor dem eigentlichen Baubeginn.
Außerdem schreckte offenbar die schiere Größe. Die Befürworter des Projekts an der Friedenheimer Brücke sprachen mehrfach nicht nur von einem, sondern sogar von zwei Konzertsälen unter der Halle. Dafür sieht Spaenle keinen Bedarf: „Bei uns hat sich niemand gemeldet.“ Außerdem drohe nach 50 Jahren möglicherweise eine Totalsanierung des Betondenkmals.
Kein Pharaonengrab
Bei einem Neubau besteht die Gefahr solcher Folgekosten nicht. Im Osten bleibt man realistisch: Das Raumprogramm im Werksviertel umfasst einen Konzertsaal mit rund 1800 Plätzen, ein kleiner Saal für Kammermusik für 300 Hörer sowie Foyers, Gastronomie und Nebenräume. Da der Bayerische Rundfunk rund 50 Prozent der Termine wahrnehmen wird, neigt der Minister zu einem Betreibermodell ohne künstlerische Intendanz.
Wie geht es nun weiter? Der Staat setzt die Gespräche mit den Investoren um Werner Eckart fort. Im nächsten Doppelhaushalt werden erste Mittel bereitgestellt: Spaenle schätzt die Baukosten nach Erfahrungen in anderen Städten auf maximal 200 Millionen. Dann folgt ein Architektenwettbewerb.
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Bis zur Landtagswahl in drei Jahren soll das Projekt so weit vorangetrieben sein, dass es „unumkehrbar“ ist, wie Spaenle betonte. Die Inbetriebnahme wird für Ende 2021 angestrebt. Ein ambitioniertes Ziel. Aber vielleicht zeigen die Bayern wie in der Flüchtlingskrise, dass sie besser organisieren können als Berlin oder Hamburg.