"Der Kaiser von Atlantis": Leichtigkeit und existenzielles Engagement

Das Rundfunkorchester unter Patrick Hahn mit einer konzertanten Aufführung der Oper "Der Kaiser von Atlantis" von Viktor Ullmann im Prinzregententheater.
von  Michael Bastian Weiß
Seit der Saison 2021/2022 ist der Österreicher Patrick Hahn (Jahrgang 1995) Erster Gastdirigent beim Münchner Rundfunkorchester - eine Position, die es nun erstmals in der Geschichte des Orchesters gibt.
Seit der Saison 2021/2022 ist der Österreicher Patrick Hahn (Jahrgang 1995) Erster Gastdirigent beim Münchner Rundfunkorchester - eine Position, die es nun erstmals in der Geschichte des Orchesters gibt. © CG Pictures

München - Vom Leben eines Komponisten kann man nicht auf sein Werk schließen. Eigentlich. "Der Kaiser von Atlantis" von Viktor Ullmann ist eine Ausnahme. 

"Der Kaiser von Atlantis" entstand im Konzentrationslager

Das einstündige "Spiel" auf ein Libretto von Peter Kien entstand im Konzentrationslager Theresienstadt, wo beide inhaftiert waren. Offenbar wurde es sogar einstudiert, doch nicht uraufgeführt. Das angebliche Vorzeigelager diente nur zur Täuschung der internationalen Gemeinschaft. Viktor Ullmann und Peter Kien wurden 1944 nach Auschwitz deportiert und dort kurz darauf ermordet.

Diese Umstände machen eine kritische Auseinandersetzung mit dem Werk, das noch dazu in einer rekonstruierten Fassung gespielt werden muss, schwierig. Bewundernswert ist auf jeden Fall der Mut der beiden Autoren, wenn sie etwa das Deutschlandlied und den von den Nazis ebenfalls missbrauchten Luther-Choral "Ein feste Burg" in modernisierter Form zitieren.

Genauso heikel wie zu kritisieren ist dieses erschütternde Zeugnis zu dirigieren. Umso beachtlicher, wie unaufgeregt Patrick Hahn, ständiger Gastdirigent des Münchner Rundfunkorchesters, mit dessen hochkonzentrierten Solisten im Prinzregententheater die Balance zwischen existentiellem Engagement und, ja, sogar einer gewissen Leichtigkeit hält, die das Stück eben auch erfordert.

Dabei ist das fiktive Atlantis eindeutig als kaputte deutsche Realität zu erkennen. Der Kaiser Overall erklärt einen totalen Krieg Aller gegen Alle. So überzeichnet gepresst, wie ihn der Bariton Adrian Eröd von der Wiener Staatsoper in dieser konzertanten Aufführung singt, sind sowohl Hitlers Wahn als auch seine menschliche Deformiertheit anschaulich wahrzunehmen.

Selbst Schwerstverwundete können nicht mehr sterben

Einen starken Kontrast setzt der immer balsamischer tönende Bass Tareq Nazmi als der leibhaftige Tod. Dieser verweigert den Dienst, sodass selbst Schwerstverwundete nicht mehr sterben können.

Der Tenor Johannes Chum legt den Soldaten Harlekin, eine Art allegorisches Gegenbild des Lebens selbst, von vornherein resignativ an, fügt sich dann aber passenderweise auch sensibel in den Schlusschoral ein. Einen Hoffnungsstrahl lässt die quirlige Sopranistin Juliana Zara als Bubikopf einfallen, Lars Woldt berichtet als bassistischer Moritatensänger weniger verfremdend distanziert als einfühlsam.

Den besten Eindruck von der theatralischen Wirkmacht des Stückes gibt Christel Loetzsch als Trommler: Sie verkündet den totalen Krieg mit einem Mezzo, dessen Timbreschönheit sich auf alle Lagen des riesigen Umfangs dieser Rolle erstreckt, und dazu noch mit einer faszinierenden, expressionistischen Mimik, die eines Stummfilms würdig wäre.


Eine Aufnahme des Konzerts gibt es unter www.rundfunkorchester.de

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