Der Himmel ist aus Kunststoff

Fake und Gefühl: Die Pet Shop Boys veröffentlichen ihr Album „Elysium“
von  Christian Jooß

Der Anfang gehört einem widerstandslos fließenden Beat zum Ibiza-Chill-Out-Sound von vorgestern. Eine Kaufhausklangkulisse in der die Stimme von Neil Tennant Sätze produziert wie „Our love is dead / but the dead don’t go away“. „Elysium“ – das neue Album der Pet Shop Boys ist da. Aufgenommen wurde in Berlin.

Tennant und Sounddesigner Chris Lowe[/INI_3] machen auch diesmal Musik, die Menschen in den Wahnsinn treibt, weil alle Geschmacksgrenzen in Frage stehen. Das ist in Zeiten handgetöpferter Biokarotten eigentlich noch aufregender als in der neonfarbenen Plastiklandschaft der 80er. War „Yes“ 2009 eine konsequente Platte mit Disco-Bumms machen es die Pet Shop Boys diesmal dem Hörer insofern schwerer, als man an dem britisch-intellektuellen und fast vergessenen Popspiel um Fake und Gefühl kaum vorbeihören kann. Nach dem Lounge-Liebes-Jammertal des Lebens wird es noch ungegenständlicher: In „Invisible“ senden die Synthesizer aus der Raumstation Signale ins Nichts. Und dann blasen die Boys „Winner“ in den Himmel. Eine Kunststoffhymne für Sieger, die so herrlich bedeutungsfrei aufdreht, dass man gar nicht weiß, für welchen Werbespot man sie zuerst empfehlen würde.

Das witzig böseste Stück des Albums: „Egomusic“. Egomanie-Pop: Tennant erklärt hier mit kühler Distanz seine Kunst und das Faszinosum seiner Kunstperson. Er sei vollständig angstfrei. Und: „In the sea of negativity / I’m a statue of liberty“. Um zu schließen: „Darum lieben mich die Menschen / Es ist demütigend“.

Nach dieser Vorlage können Tennant und Lowe der Welt nur noch „Hold On“ geben. Ein unverschämt dreistes Selbstzitat von „Go West“ und genau deshalb fantastisch. Die Menschheit bekommt hier eine Zukunftshymne, die so schauerlich schönen, unechten Optimismus verbreitet, dass sie auf keiner Beerdigung fehlen sollte.


Pet Shop Boys: Elysium (EMI)

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