Der beste Tristan

Ein deutlich vernehmbarer Zisch-Laut ist gleich dem ersten Akkord mitgegeben. Er kommt von Valery Gergiev, der sich beim Dirigieren eben nicht nur optisch ausdrückt. Man darf dieses gefährliche Geräusch als Warnung verstehen: Eine wohlig wabernde Orchesterbegleitung wird es bei dieser konzertanten Aufführung des zweiten Aktes von Richard Wagners Oper „Tristan und Isolde“ nicht geben.
So gesehen wurde man vor der Pause durch die sanft intonierten symphonischen Fragmente aus der Bühnenmusik zum „Martyrium des Heiligen Sebastian“ von Claude Debussy in eine trügerische Sicherheit gewiegt. Bei Wagner fesseln die Münchner Philharmoniker nämlich dann mit einem unwirtlichen, aufgerauten Klangbild. Keine Naturstimmung verbreiten etwa die Streicher in ihren Tremoli, sondern wirken wie elektrisch aufgeladen.
Das Aufeinandertreffen der beiden Liebenden bereitet Gergiev mit einem wütend hochgepeitschten Zwischenspiel vor. Den Sängern aber, die zudem akustisch unvorteilhaft im weit entfernten Bühnenhintergrund der Philharmonie postiert sind, macht es Gergiev nicht leicht. Er versagt den Solisten sicherheitsspendende Einsätze und nimmt auch bei der Begleitung kaum Rücksichten.
„Zu laut“, entfährt es dem Kritikerkollegen auf dem Nebenplatz, nicht ganz zu Unrecht. Die Protagonisten müssen sich anstrengen. So spricht der Sopran von Martina Serafin nicht leicht an, er braucht Zeit zum Einschwingen. Doch Gergievs drängende Tempi zwingen sie zum Forcieren, was ihrer Isolde mehr Schärfe mitgibt als gut tut und außerdem auf Kosten der Textverständlichkeit geht. Auch die Strategie von Mikhail Petrenko, den König Marke hochsensibel, mit fast flüsternder Deklamation anzulegen, geht nicht auf. Er kann nicht genug Format ausbilden, im Gegensatz zu Yulia Matochkina, die als Brangäne mit beeindruckendem Volumen und herrlichem Obertonreichtum beeindruckt.
Eine Sensation ist aber, wie unbeschadet ausgerechnet der Sänger des Tristan die Orchestergewalten übersteht. Andreas Schager demonstriert mit tenoralem Glanz und herausfordernder Kraftentfaltung, dass er derzeit eine der besten Besetzungen für diese gefürchtet schwere Partie ist. Er singt mit dem ganzen Körper, wobei er den Melodieverlauf oft mit den Händen mitzeichnet – eine Verdopplung des Ausdrucks, die hier nicht etwa störend wirkt, sondern die Plastizität der Phrasierung befördert. So können in dieser konzertanten Aufführung wenigstens zwei Sänger der starken orchestralen Ebene etwas entgegensetzen.