Depeche Mode und der lange Weg zum Himmel
Depeche Mode haben ihre neue Single "Heaven" veröffentlicht. Am 23. März soll das neue Album "Delta Machine" erscheinen.
Es ist der 28. Mai 1996, als David Gahan im Sunset Marquis Hotel in West Hollywood über die Schwelle tritt. Nach einem Heroin-Kokain-Speedball ist er für zwei Minuten klinisch tot. Notärzte können ihn wiederbeleben. In New Orleans hatte ihn 1993 ein Herzanfall von der Bühne geholt, und seine Kollegen von Depeche Mode mussten die Zugabe ohne ihn spielen. 1995 schlitzte er sich die Pulsadern auf. 2009 entfernten Ärzte einen Blasentumor.
Am Freitag haben Depeche Mode ihre neue Single veröffentlicht: „Heaven“. Am 23. März soll das Album „Delta Machine“ erscheinen. Und natürlich fällt einem da der metaphysische Bluesübersong „Personal Jesus“ ein, mit dem Depeche Mode 1989 in die Charts stießen. Gahans Stimme steht hier als dunkle Erlöserfantasie im Raum.
Es sind solche Nummern, mit denen sich die Band vom Feld der New Romantics, auf dem sie Anfang der 80er sprießte, absetzen konnte. Denn wenn der Synthie-Party-Pop von „Just Can’t Get Enough“ über die Klippe springt, dann fällt er schon mal in den sadomasochistischen Abgrund von „Master and Servant“.
Endzeit-Connaisseur David Gahan
„Heaven“: Auf Knopfdruck läuft hier ein unbeirrbar entschleunigter Kunststoffbeat vom Band, der statt Hochleistungschips noch Kondensatorenreihen zu durchlaufen scheint. Drei Pianoakkorde, die im Abgang metallisch verhallen.
Gahan greift sich das Mikro mit der großen Pose eines Endzeit-Connaisseurs, der sich noch einmal den weißen Anzug gönnt. Weggleiten, langsamer Selbstverlust, Feier der Selbstaufgabe. Und dann der Refrain. „I dissolve in trust“ – es ist eine Auflösung im Vertrauen. Auf was? Gott ist nicht sichtbar, spürbar vielleicht: „Ich werde als Staub enden / Ich bin im Himmel“.
Pop ist Erlösung, keine Lösung. Die vier auf Single mitgelieferten Remixe sehen das Ende viermal anders. Owlle beispielsweise hat den elektronischen Discohimmel vor Augen. Am eindringlichsten ist der Blawan-Remix. Drohendes Pochen. Ein böser Synthiebass, der knurrt, wie eine Tuba. Es führen viele Wege in den Himmel.
Depeche Mode: „Heaven“ (Columbia)
Am 1. Juni spielen Depeche Mode im Olympiastadion
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