David Crosby: Liebe in einem Betonmischer

Mit den Byrds hat er den Gang der amerikanischen Rockmusik entscheidend geprägt, mit Crosby, Stills & Nash (und manchmal Young) hatte er gigantischen Erfolg. Legendär ist auch David Crosbys wilder Lebensstil. Der führte ihn in eine schwere Drogensucht, in den Neunzigern musste er sich einer Lebertransplantation unterziehen. Kurz vor seinem 80. Geburtstag am 14. August ist nun sein schönes neues Album "For Free" erschienen. Ein Gespräch über himmlische Harmonien, teuflische Streaming-Plattformen - und seine stürmische Beziehung zu Joni Mitchell, deren Entdecker er ist.
AZ: Mr. Crosby, "For Free" ist Ihr fünftes Album in sieben Jahren. Ist das Aufnehmen für Sie einfacher geworden?
DAVID CROSBY: Nein, diesmal war es nicht einfacher, wegen Covid konnten wir nicht in einen Raum, wir mussten unsere Aufnahmen online hin- und herschicken. Aber davon abgesehen habe ich das Glück, tolle Songwriting-Partner zu haben. Ich habe zuletzt so viele Alben aufgenommen, weil ich einfach die Songs dafür habe. Andererseits ist es verrückt, weil wir für diese Aufnahmen nicht mehr bezahlt werden. Es ist, als ob Sie einen Monat lang arbeiten und dafür fünf Cent kriegen würden.
"Ich kenne junge, vielversprechende Songwriter, die bei ihrer Mutter auf der Couch schlafen"
Sie wirken ziemlich sauer angesichts des Streaming-Geschäfts, an dem die Musiker kaum etwas verdienen.
Wenn niemand Geld verdienen würde, wäre es für mich okay. Aber die Plattenfirmen und die Streaming-Unternehmen verdienen Milliarden! Und sie zahlen den Musiker nichts - das ist schäbig.
Wird das auf lange Sicht Konsequenzen für das Musikbusiness haben?
Ja. Ich kenne junge, vielversprechende Songwriter, die bei ihrer Mutter auf der Couch schlafen. Sie verdienen nicht genug, um sich etwas zu essen zu kaufen, haben kein Auto. Und ich rede von den wirklich Begabten! Sie verdienen nichts an ihren Aufnahmen und müssen andere Jobs annehmen - das lässt für die Zukunft des Musikbusiness nichts Gutes erahnen.
Sie haben vor kurzem die Rechte an all ihren Aufnahmen und Kompositionen an den Musikmogul Irving Azoff verkauft. Warum?
Wir Musiker haben zwei Arten von Einkommen: Aufnahmen und Konzerte. Das Streaming hat mir eine Hälfte meines Einkommens genommen, da war ich dankbar, dass ich immerhin noch live spielen konnte. Dann kam Covid und mit den Auftritten war es auch vorbei. Ich bin Vater und Ehemann, muss eine Familie versorgen. Also habe ich meine Rechte verkauft, auch wenn ich das nicht wollte.
Haben Sie noch Mitspracherechte, was mit ihren Songs passiert?
Nein.
"Mein Sohn ist besser als ich"
Macht Ihnen das Sorgen?
Ein wenig schon. Aber ich hatte keine Wahl.
Zurück zu Ihrem neuen Album. Das hat Ihr Sohn James Raymond produziert, wie war das?
Es war eine Freude. Er hat auch den besten Song des Albums geschrieben: "I Won't Stay For Long". Stellen Sie sich vor, wie es sich für einen Vater anfühlt, wenn er von seinem Sohn übertroffen wird. Er ist besser als ich.
Donald Fagen hat Ihnen den Text für "Rodriguez For A Night" gegeben. Sie und Ihr Sohn haben die Musik dazu geschrieben - und die klingt komplett nach dessen ehemaliger Band Steely Dan.
Klar, das war der Plan. Steely Dan ist meine Lieblingsband. Ich habe sie das erste Mal mit "Aja" gehört, das hat mich umgehauen, diese Platte und "Gaucho" gehören zu meinen Lieblingsalben. Die Beatles waren die beste Band der Welt - und nach ihrer Auflösung war Steely Dan die beste.
Der Titelsong des Albums "For Free" ist von Joni Mitchell, die Sie in den Sechzigern entdeckt hatten.
Ich habe sie in einem Coffeehouse in Florida entdeckt und mit nach Kalifornien genommen. Ich nehme die Lorbeeren dafür gern an, aber sie wäre so oder so groß rausgekommen. Unter den Singer-Songwritern unserer Zeit ist sie die größte. Als Dichterin ist sie so gut wie Bob Dylan, als Musikerin und Sängerin ist sie zehn Mal besser. Und das sage ich, obwohl er mein Freund ist und ich ihn großartig finde.
Sie und Joni Mitchell waren in den Sechzigern kurzzeitig auch ein Paar. Wie sind über die Jahre miteinander ausgekommen?
Mal so, mal so. Sie ist ein bisschen schwierig. Als sie mit mir zusammen war, war sie sehr intensiv mit mir zusammen, das war toll, wir haben uns geliebt. Aber als sie dann mit Graham Nash zusammen war, mit James Taylor, mit Jackson Browne und den anderen, war sie nicht allzu freundlich zu mir - das hätte nicht gut ausgesehen. Sie ist ein ungestümes Mädchen. Sich in Joni Mitchell zu verlieben ist so, als ob man in eine Betonmischmaschine fällt.
"Ich schaue nicht auf meine Karriere zurück, ich lebe im Hier und Jetzt"
Sie haben Joni Mitchell entdeckt, waren bei den Byrds und bei Crosby, Stills, Nash & Young: Was halten Sie für Ihren wichtigsten Beitrag zur Rockgeschichte?
Ich schaue nicht auf meine Karriere zurück, ich lebe im Hier und Jetzt. Ich denke nie über die Byrds oder CSNY nach. Wir waren gut und haben einen Beitrag geliefert, aber für mich ist das Alte Geschichte.
Beide Bands waren für Ihren Harmoniegesang berühmt. Gibt es ein Geheimnis oder ist es Zufall, welche Stimmen gut zusammen klingen?
Teilweise letzteres. Keiner hätte vorhersehen können, dass die sehr unterschiedlichen Stimmen von Crosby, Stills und Nash zusammen so einen eigenen Klang haben.
Was hat Ihren Harmoniegesang beeinflusst?
Am meisten Klassik und Jazz. Meine Eltern haben die ganze Zeit Klassik aufgelegt, das hat mein Harmonieverständnis sehr geprägt. Was braucht man schon außer Bach? Und Jazz-Pianisten haben mich geprägt, die Akkorde von Bill Evans oder McCoy Tyner.
Erstaunlich, ich hätte eher auf die Everly Brothers getippt.
Ich liebe die Everly Brothers, von ihnen habe ich mit am meisten über Harmoniegesang gelernt. Aber das Ding war: Man musste erst die Stimmen der beiden Everlys lernen - und dann eine dritte Stimme dazu finden.
Diese dritte Stimme gefunden zu haben: War das das Geheimnis der Byrds?
Nein, das Geheimnis der Byrds war Roger McGuinn. Er war exzellent, er konnte aus einem Bob Dylan-Song mehr machen als jeder andere Mensch der Welt.
"In der Zeit, die mir noch bleibt, will ich gute Musik machen"
Sie lebten damals im Laurel Canyon in Los Angeles auf engstem Raum mit unzähligen anderen Musikern: Brian Wilson, Frank Zappa, Neil Young, The Doors, The Mamas & The Papas. Im Nachhinein ist das schwer zu glauben, oder?
Musiker tun sich einfach gern zusammen. Wir sind in L.A. nicht in Clubs gegangen wie in New York, sondern haben uns zuhause besucht, haben Musik gemacht und sind nackt am Pool gelegen. Es war sehr kreativ, aber die Szene in San Francisco fand ich noch besser, weil die Bands dort überhaupt nichts mit dem Showbusiness am Hut hatten. Die Grateful Dead, Jefferson Airplane, Quicksilver Messenger Service, Janis Joplin: Denen ging es nur um die Musik.
Sie hatten in Neunzigern einen Gastauftritt bei den "Simpsons". Die Pointe spielte auf Ihren wilden Lebensstil und Ihre Drogenprobleme an. Erinnern Sie sich an die Szene mit dem ständig abstürzenden Säufer Barney Gumble?
Was hat er gesagt?
Barney ist begeistert, Sie zu treffen: "Wow, David Crosby! Sie sind mein Vorbild!" Sie antworten: "Oh, gefällt Ihnen meine Musik?" Und Barney sagt: "Sie sind Musiker?"
(schallendes Gelächter) Ja, ich erinnere mich. Lustige Zeile.
Sie wirken ganz schön relaxed.
Klar, ich konzentriere mich nur noch darauf, weiter Musik zu machen. Ich werde bald sterben, und in der Zeit, die mir bleibt, will ich nur noch eines: so viel gute Musik machen wie möglich.
David Crosby: "For Free" (LP, CD und digital bei BMG/Warner)