Das Perfide lautert im Leisen

BR-Symphoniker und Chor mit Schubert und Beethoven unter Thomas Hengelbrock
von  Christa Sigg

BR-Symphoniker und Chor mit Schubert und Beethoven unter Thomas Heng

Vor ein paar Tagen erst hatte er einen saukomischen Termin: Thomas Hengelbrock dirigierte seine NDR-Bläser in der Hamburger Hafenstadt. Die trafen zwar nicht jeden Ton, doch egal, dafür wurde die Elbphilharmonie eröffnet. Mit Wunderkerzen und herrlich ironischen Reden. Der smarte Hüne stand allerdings nicht im 800-Millionen-Palast, sondern ein paar hundert Meter weiter vor der vergleichsweise günstigen Version im Miniatur-Wunderland. Und amüsierte sich. Was bleibt ihm anderes übrig.

Aber man fragt sich natürlich, was dieser Dirigent über die Münchner und deren Gasteig denkt. Dass die mal froh sein sollen, ihren Riesensaal längst zu haben? Oder eher: Bei der Bombenakustik warte ich gerne noch ein paar Jährchen auf Besseres... Den Teufel wird Hengelbrock tun und sich äußern. Zumal er den Tücken der Philharmonie – ganz lässig – klare Konturen entgegensetzte. Was mit dem Präzisionschor und erst recht dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sowieso ein Leichtes ist.

Gleich in Franz Schuberts frühem, einnehmend schlichten „Stabat mater“ D 175 hielten sich Orchester und Orgel dezent zurück, dass die wenigen leidvollen Verse des Chores noch im Piano mit beachtlicher Intensität den Raum füllten. Für die „Unvollendete“, Schuberts siebte Sinfonie, war das eh keine schlechte Vorarbeit. Der homophon vorgetragene, sehr konkrete Schmerz der Mutter Jesu wird – ebenfalls unisono – im Raunen der Celli und Bässe zur  kaum greifbaren Bedrohung.

Und Hengelbrock lässt auch hier schlank und durchsichtig musizieren, wählt straffe Tempi und findet für die dramatischen Ausbrüche feinste Steigerungen. Das Perfide lauert im Leisen, dann bald in der immer wieder lichten Idylle des Andante – erstaunlich, wie viel hier noch im Mikroskopischen passiert. Man könnte kirre werden, prasselte nicht zwischendurch mächtiges Gewitter aufs Ohr.

Beethovens C-Dur-Messe wurde dann zum Dialog im großen Stil. Entsprechend waren die Solisten – Luba Orgonásová, Gerhild Romberger, Christian Elsner und Michael Volle – zwischen Chor und Orchester platziert. Vom verhaltenen ersten Kyrie bis zum friedlichen „Dona nobis pacem“ ging es feierlich wie leidenschaftlich zur wortdominanten Sache. Doch Hengelbrock kam auch hier ohne dick aufgetragenes Pathos aus.

Und im Gegensatz zum NDR konnte er sich bei den BR-Musikern – sorry – auf fabelhafte Bläser verlassen.

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