"Das letzte Mal vor zehn Jahren": Das war Metallicas überraschender München-Moment

München und Metallica - das passt einfach, das hatte schon immer eine ganz besondere schwermetallische Magie.
Bei ihren letzten Auftritten an der Isar überraschten die Heavy-Metal-Superstars ihre Fans stets mit ganz speziellen München-Momenten: 2017 präsentierten Sänger James Hetfield & Co. "Skandal im Sperrbezirk" von der Spider Murphy Gang, natürlich in einer ganz besonderen Inszenierung, der Metallica-Variante. Zwei Jahre später dann den Song "Schickeria", die nicht minder kultige Nummer-eins-Hymne der Münchner Rock 'n' Roll-Institution.
Metallica sorgt wieder für einen ganz speziellen München-Moment
Was also würde es diesmal sein, beim großen Münchner Metallica-Doppelfeature an diesem Wochenende (zwei Konzerte mit unterschiedlichen Setlists am Freitag und Sonntag)?
"Ohne Dich" von der Münchner Freiheit? Na, gwiss ned.
Es wurde der "Hofbräuhaus Funk (oder Fuck oder Fun?) Jam". Ein eigens für die bayerischen Fans komponiertes Instrumentalstück von Gitarren-Virtuoso Kirk Hammett und Bassist Robert Trujillo – letzterer spielte die Nummer am Ende sogar in der Horizontalen. Da legt's di nieda. Die Show-Profis von Metallica wissen eben, wie man sein Publikum abholt und das regionale Schmankerl gehört da einfach dazu.
Genauso wie die schon längst legendäre Intro-Melodie "Ecstacy of Gold" von Ennio Morricone aus "Zwei glorreiche Halunken". Es ist auch an diesem Abend das finale Zeichen, dass es endlich losgeht, nachdem die vier Metal-Gladiatoren sich zuvor zum Gassenhauer "It s a long way to the top" von AC/DC wie bei einem großen Boxfight in Las Vegas den Weg durch die Massen zur Bühne gebahnt haben. Ready to rumble? Ready to Metallica? Aber hallo!
Tickets in der "Schlangengrube" kosten satte 600 Euro
Schlagzeuger Lars Ulrich, Sänger und Rhytmus-Gitarrist James Hetfield, Sechs-Saiten-Zupfer Kirk Hammett und Tiefentöner Robert Trujillo sind bereit – und München ganz offensichtlich auch.
Angeheizt von den Vorbands "Mammoth WVH", der Gruppe von Wolfgang Van Halen, Sohn der 2020 verstorbenen Gitarren-Legende Eddie Van Halen, und "Architects" und der ein oder anderen Halben Bier, zu je sieben Euro werden die Fans mit "Whiplash" von Metallicas Debüt-Album "Kill ‘Em All" mit einem heftigen Tritt in den Allerwertesten direkt in den Abend geschubst.
Und als sofort danach "For Whom The Bell Tolls", Metallicas Reminiszenz an den großen Ernest Hemingway, erklingt, könnte der Jubel nicht größer sein. Die 75.000 Metallica-Enthusiasten im Olympiastadion sind spätestens jetzt voll da – und ihre Idole mittendrin. Denn die Bühne, ein runder Laufsteg mit Snakepit (dt. "Schlangengrube") in der Mitte, die Tickets dafür kosten 600 Euro, ist mittig in der Münchner Kult-Schüssel platziert.
Drumherum stehen acht bojenartige Screens auf meterhohen Ständern, die das Geschehen auf der Bühne oder auch die Metallica-typischen Animationen in das Rund übertragen. Das Zeichen der Band an die Fans ist damit klar: Wir sind mitten unter euch - alle sind ein Teil der berühmten Metallica-Familie, die an diesem Abend von Hetfield so oft beschworen wird.

Bei "Nothing Else Matters" glitzert das Zeltdach von unten
Genau darum geht es offenbar auch bei dem ungewöhnlichen Doppelpack-Konzept zum neuen Album "72 Seasons": Eine Welttour in 22 Städten, mit jeweils zwei Konzerten: In Deutschland ist München die einzige Station – weshalb die Fans von weit oder sogar noch sehr viel weiter angereist sind, ganz so wie es sich eben für ein großes Familientreffen gehört.
Es verwundert deshalb nicht, dass - als Hetfield nach "Fade to Black" kurz in die große Runde fragt, wer der hier Anwesenden denn schon mal Metallica live gesehen hat - fast alle Hände in die Höhe schnellen. Die paar wenigen Ersties im Schatten des Olympiaberges, ja auch die soll es geben, müssen sich aber nicht ausgeschlossen fühlen, sondern werden natürlich sofort mit ganz breiten Armen im illustren Kreise empfangen: "Welcome to the Metallica-Familiy".
Allesamt erleben kurz darauf einen weiteren Metallica-Moment, den es so eben nur in München geben kann. Bei der ikonischen Ballade "Nothing Else Matters" und stark gedimmten Bühnenlicht gehen tausende und abertausende Handylichter an. Die tauchen die Schüssel in ein ganz besonderes Funkeln - mit dem Clou des von unten glitzernden Zeltdaches des Olympiastadions. In diesem fast magischen Moment ist die Metallica-Familie ganz bei sich – grad schee is!
Ein Gewitter trübt die Stimmung – passt aber gut in die Szenerie
Diese Stimmung bekommt einen leichten Dämpfer, als direkt danach doch noch das angekündigte Gewitter seine unerwünschte Aufwartung macht und das Glitzern sich von nun an eher in den dicken Tropfen spiegelt, die der Himmel über dem Olympiapark nach unten schickt. "Sad but True" – traurig aber wahr. Andererseits passt der Regen auch zur düsteren Film-noir-Optik, die an die 2005er Comicverfilmung von "Sin City" erinnert, die nun über die Bojen flimmert.
Auch auf der Laufstegbühne wird es wieder deutlich härter, so als wollten die Vier gegen den Regen als Vorboten der Hölle anspielen und den Regengott mit Urgewalt vertreiben: "The Day That Never Comes", "Hardwired", "Fuel". Metallica geben alles, so wie ihre Fans. Komplett durchnässt folgt eine fast pausenlose Reihung aus treibenden Bässen, nicht enden wollenden Gitarrensolos und Collagen von Licht- und Pyrotechnik-Effekten. Hetfield, Hammett und Trujillo beackern den runden Laufsteg als gäbe es dafür Kilometergeld.
Metal-Fans sind nicht nur trinkfest, sondern auch wasserfest
Auf den Drums von Schlagzeuger Ulrich spitzt das Wasser. Aber hey, "it's just water", ruft Hetfield in die Massen, von denen aber eh niemand vorhat dieses niemals sinkende Metallica-Schiff zu verlassen. Metal-Fans sind nicht nur trinkfest, sondern auch wasserfest – und dazu noch textsicher. Beim Klassiker "Seek & Destroy" ertönt ein Chorus aus 75.000 Kehlen und bei der Zugabe "Master of Puppets" kocht das Stadion immer noch - trotz der Wassermassen, die weiterhin von oben kommen.
So folgt der eigentliche München-Moment dieses speziellen Metallica-Abends – einer, der sich auch am Sonntag beim zweiten Teil des "No Repeat Weekends" wohl kaum wiederholen wird – dann, als schon alles vorbei ist. Beim Abschied hat Drummer Ulrich, der ein dickes Handtuch um den nackten und nassen Oberkörper geschlungen hat, nämlich noch etwas zu sagen. Aus seiner Sicht sogar etwas Historisches. Das letzte Mal, dass er ohne T-Shirt gespielt habe, sei in New York vor zehn Jahren gewesen. Respekt. Denn oben ohne – das ist ja eigentlich nichts mehr für einen 60-Jährigen.
Aber andererseits: Genieren braucht sich hier in München selbst ein Metal-Oldie nicht. Man ist ja unter sich, man ist ja eine Familie...
Info: Der nächste Metallica-Auftritt ist am 1. Juni bei Racino Rocks in Eibreichsdorf bei Wien.