Das kosmische Gelächter des Scott Walker
Absolute Stille, in „SDSS1416 + 13B (Zercon, A Flagpole Sitter)“ ist sie zu erleben. Aufgenommen parallel analog und digital. Wobei die Töne analog abgespielt werden; nur die Stille – sie ist digital reines Nichts.
Was man hört, wenn man hört? Große Orchestereinwürfe, Bockshörner, darunter die Schofar, ein rituelles jüdisches Blasinstrument aus dem Horn des Kudus. E-Gitarren-Bass-Sprenkel. Und Scott Walkers 69-jährigen Bariton – eine Eremitenstimme aus der Pophistorie mit dem fest-fragilen Timbre eines Sehers von Welten.
„Bish Bosch“ heißt Walkers neues Album. Mitte der 60er in L. A. war es, als sich The Walker Brothers formten. Eine Gruppe, die dem, was als British Invasion nach Amerika eindrang, eine Art großorchestrierte Beatmusik entgegenhielt, die nicht mit Easy Listening zu verwechseln war.
Die massive Wand hermetischer Klang-Lyrik-Gebilde
„Love Her“, „My Ship Is Coming In“, „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“ – von schwerer Süße waren die Arrangements, gleichzeitig von einer über die Melancholie hinausgehenden Abgründigkeit. Neueinsteiger in Scott Walkers Spätwerk dürfen auch diesmal jede Hoffnung auf herkömmliche Popmelodiekunst fahren lassen. Derartige Erwartungen führen gegen die massive Wand von Walkers hermetischen Klang-Lyrik-Gebilden.
Bessere Chancen hat, wer „Bish Bosch“ als performatives Kunstwerk versteht, das mit detailversessen auskomponierten Bildern arbeitet. Der Titelverweis auf Hieronymus Bosch ist durchaus einer der Wegweiser ins Labyrinth dieser Endzeiträtselplatte.
Für Walkers Verhältnisse ist die schnell entstanden. Sechs Jahre sind seit „The Drift“ vergangen. 1995 war es „Tilt“. Eine Trilogie von monumental exzentrisch, singulären Werken des Mannes, der nach den Walker Brothers seine Solokarriere mit durchnummerierten Chansonalben gestaltete.
Ceausescu wird erschossen, der Zwerg des Hunnenkönigs Attila hat einen Auftritt neben dem wohl kältesten Gebilde außerhalb unseres Sonnensystems, einem Braunen Zwerg, Machetenklingen werden in „Tar“ gewetzt, Ochsenfrösche werden aufgeblasen. Walker ein Gothic-Finsterling? Beileibe nicht. In all dem, was Tiefschwarz scheint, schlägt eine sehr spezielle Form des Witzes Funken: „If shit were music / you’d be a brass band“. Kosmisches Gelächter.
Scott Walker: „Bish Bosch“ (4AD/Beggars Group)
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