Das Klavier als Musik-Kraftwerk: Francois-Frédéric Guy spielt Liszt

Die Münchner Philharmoniker unter Philippe Jordan mit Musik von Franz Liszt, Josef Strauß und Richard Strauss in der Isarphilharmonie
von  Michael Bastian Weiß
Der Dirigent Philippe Jordan und der Pianist François-Frédéric Guy mit den Münchner Philharmonikern.
Der Dirigent Philippe Jordan und der Pianist François-Frédéric Guy mit den Münchner Philharmonikern. © Tobias Hase/mphil

Mit zwei Fingern gleich, wenn das Auge nicht täuscht, rammt Francois-Frédéric Guy die tiefsten Tasten des Konzertflügels wie Pflöcke in den Bühnengrund der Isarphilharmonie und bringt die höchsten Noten zum Glitzern wie Triangelschläge. Guy hat keine Scheu vor der physischen Macht des Steinways, er provoziert ihn zu löwenhaftem Knurren, entlockt ihm Heulen und Zähneklappern, packt beherzt an und fördert Akkordquader und herabstürzende Steinkaskaden zu Tage.

Für den französischen Pianisten, der für Jean-Yves Thibaudet einsprang, ist das Klavierkonzert Nr. 2 von Franz Liszt nicht durch seinen verträumten Beginn definiert. Er stellt ihn eher als eine Art Irreführung durch den Komponisten vor. Bei Francois-Frédéric Guy gibt es kein Gesäusel, selbst die Girlanden der rechten Hand haben bei ihm sehnige Substanz, prasseln wirkungsvoll wie Kiesel statt vornehm blass zu perlen.

Hochgespannte Ballungen

Noch wichtiger aber ist, wie direkt er auf das Instrument zugreift, wie er es als Kraftwerk nutzt, um Initiativen zu starten, die dem formal locker gefügten Werk einen eindrucksvoll entschlossenen Zug verleiht. Der Mittfünfziger kann in den Passagen, in denen er mit dem philharmonischen Violoncellisten Floris Mijnders schmelzende Kammermusik macht, begleiten, ohne solistische Autorität aufzugeben, und setzt sich mit seinen Vierfachoktaven mühelos dem Streicherkörper der Münchner Philharmoniker entgegen, der hier in hochgespannter Ballung auftritt.

Denn wohltuend ist, mit welcher Professionalität Philippe Jordan am Pult auf unbedingter Genauigkeit besteht. Die ersten Violinen treten in "Dynamiden. Geheime Anziehungskräfte" von Josef Strauss als eine einzige Stimme auf und bilden mit geschmackvollem Vibrato jene Wärme aus, die den Melodien Auftrieb verleiht und sie zum Schweben bringt.

Philippe Jordan dirigiert die Münchner Philharmoniker.
Philippe Jordan dirigiert die Münchner Philharmoniker. © Tobias Hase / mphil

Die Wahl dieses Walzers ist sinnfällig, weil sich 50 Jahre später Richard Strauss ganz offen aus diesem bediente, als er seinen "Rosenkavalier" komponierte. In der Suite aus dieser Oper kann man dann studieren, was er aus dieser Anleihe machte, nämlich etwas ganz Anderes.

Wie eine springende Schallplatte

Mit Hilfe von Tomás Ille hat Jordan ein neues Potpourri aus der Oper zusammengestellt, vollständiger als die bereits existierende Suite zwar, nur leider nicht besonders geschickt gemacht: Die Übergänge sind so unbeholfen, dass sie an eine springende Schallplatte erinnern.

Darüber kann aber leicht hinweggehört werden, denn Philippe Jordan realisiert hier einmal, von den Unwägbarkeiten einer Theateraufführung befreit, das symphonische Potential dieser Musik. Elegant, aber mit analytischem Bewusstsein, gibt er Einsätze quasi im Taktrhythmus, holt die sonst untergehenden Motive von Oboe und Trompete, einmal einer wie wildgewordenen Bratschengruppe hervor, und erzielt so mit den Münchner Philharmonikern schwelgerischen Klang nicht von der Oberfläche her, sondern aus der Vielstimmigkeit der Partitur.

Interpretatorisch geht das kaum besser, nur das Bearbeiten eines Werkes sollte man lieber den Komponisten überlassen.

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