Kritik

Das Jahr der Tuba ist eröffnet

Adam Fischer, Beatrice Rana und die Academy of St. Martin in the Fields in der Isarphilharmonie
Robert Braunmüller
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Die Pianistin Beatrice Rana.
Simon Fowler Die Pianistin Beatrice Rana.

Der Dirigent gibt den Einsatz, und dann fließt Beethovens Symphonie Nr. 8 in einem natürlich wirkenden Tempo vor sich hin. Irgendwann fragt sich der geneigte Hörer: Stimmt das so? Wie hat der Komponist den Satz überschrieben? Nicht mit einem mäßigen Allegro, wie die Aufführung suggeriert, sondern mit "Allegro vivace". Und damit es auch Schlafmützen verstehen, hat Beethoven noch "e con brio" hinzugefügt. Und das heißt: Ein ruhiger musikalischer Puls ist damit nicht gemeint, es sollte schon stürmisch zugehen.

Brio stellt sich bei der Academy of St. Martin in the Fields unter Adam Fischer erst in der Durchführung ein, wenn sich die Musik in einem Fugato dramatisch verdichtet. Das kann man so sehen, doch bügelt eine solche Interpretation alle Besonderheiten dieser Symphonie glatt: das Fagottsolo am Beginn etwa, das humoristisch gemeint sein dürfte, bei langsamem Tempo aber ganz normal klingt.

Beethoven den Witz austreiben

Fischer hat durchaus ein Konzept für diese Symphonie: Es ist nur leider nicht überzeugend. Der ironische und groteske Sonderfall in Beethovens symphonischem Werk wird dem Normalfall kraftvollen Musizierens ohne Zwischentöne und doppelten Boden angeglichen. Das ist bei einem Dirigenten, der eine hochgelobte Gesamtaufnahme aller Haydn-Symphonien vorgelegt hat, ziemlich erstaunlich: Denn Beethoven war dem Witz seines Vorgängers nie so nahe wie in der Achten.

Solide Kapellmeisterei dominierte zuvor in Mozarts Klavierkonzert in d-moll KV 466. Das passte gut zur italienischen Pianistin Beatrice Rana, die leider auch nicht wirklich mehr wollte als eine normale Aufführung ohne Ecken und Kanten. Das Klavier meldete sich kaum je als individuelle Stimme zu Wort, Solo und Orchester vereinten sich in handfester, opernhafter Dramatik. In diesem Sinn konsequent hatte sich die Solistin im ersten Satz für Beethovens Kadenz entschieden.

Ihre Stärke ist die romantische Virtuosität

Das ist eine mögliche Sichtweise auf dieses Konzert, Originalität kann sie allerdings nicht beanspruchen. Im dritten Satz spielte Beatrice Rana dann eine recht vollgriffige Kadenz. Und bei der Zugabe, einem "Lied ohne Worte" von Felix Mendelssohn Bartholdy, zeigte sie dann, wo ihre wirkliche Stärke liegt: bei romantischer Virtuosität. Kein Wunder also, dass ihr Mozart arg glatt daherkommt und man sich von ihr lieber Schumann oder ein spätromantisches Konzert wünschen würde.

Das Konzert begann mit Mendelssohns Ouvertüre zum "Sommernachtstraum". Anfangs wackelten die Bläser, später drängte sich immer wieder die vom Deutschen Musikrat zum "Instrument des Jahres" ausgerufene Tuba in den Vordergrund. Das riesige Instrument - Mendelssohn schreibt eine kleiner und schlanker klingende Ophikleide vor - hätte bei Bruckner oder zu Wagners Fafner gepasst, kaum jedoch zur Elfenromantik dieses Stücks und zur mittelgroßen Orchesterbesetzung der Academy of St. Martin in the Fields.

Über manche Stile geht die Zeit hinweg

Und das bringt einen zum zentralen Problem dieses Abends: Dieses Ensemble war vor Jahrzehnten unter seinem Gründer Neville Marriner mit seinem blitzenden Klang ein Vorbild für alle Kammerorchester. Doch darüber ist die Zeit hinweggegangen. Brillant spielen heute alle. Der historisierenden Suche nach dem sogenannten Originalklang hat sich die Academy verweigert, ohne ein eigenes Profil zu gewinnen. Sie ist heute ein traditionelles Allerweltsorchester, das in kleinerer Besetzung auftritt. Und in Städten wie München, wo vier oder fünf erstklassige Orchester das gleiche Repertoire spielen, sollte man exponierte Soli nur im Ausnahmefall unsauber verfehlen.

Das Publikum schloss Adam Fischer übrigens in sein Herz: Denn es ist irgendwie knuffig, wie er auf dem Podium herumalbert. Nur zur musikalischen Wahrheitsfindung trägt es vergleichsweise wenig bei.

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