Das Gesicht des Rock'n'Roll
Der Rolling Stones Gründer und Gitarrist ist eine der stilprägendsten Figuren des Rock
Bill Clinton nannte ihn „die einzige Lebensform außer Kakerlaken, die einen Atomkrieg überleben kann“, für Tom Waits ist er schlicht „die gusseiserne Bratpfanne aus einem Stück“. Dass Stones-Gitarrist Keith Richards überhaupt am 18. Dezember seinen 70. Geburtstag feiern kann, führt er selbst auf die „erstklassige Qualität der Drogen“ zurück, die er im Übermaß konsumiert hat. Aber er ist geläutert und warnt sogar in seiner lesenswerten Biografie „Life“ davor, in seine Fußstapfen zu treten.
1961 stand Keith mit einer Chuck Berry-Platte unterm Arm am Bahnhof von Dartford, als ihn Mick Jagger, ein ehemaliger Klassenkamarad, anquatschte. Jagger hatte längst alle Berry-Platten, die beiden beschlossen, gemeinsam Musik zu machen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten stellten sie mit Brian Jones eine Band auf die Beine. Bill Wyman kam hinzu (eigentlich wollten sie nur seinen Verstärker), und Charlie Watts signalisiert Bereitschaft, wenn die Band genug Auftritte bekommen sollte, um ihn zu bezahlen. In unglaublicher Geschwindigkeit wurden aus den Nobodys Stars, Bürgerschrecks und fast Staatsfeinde. In „Life“ beschreibt Keith die Wirkung der Stones auf die jungen Mädchen: „Die ohnmächtigen Körper, die nach ein, zwei Songs an uns vorbeigetragen wurden, die sahen wir jeden Abend. Wenn es zu viele waren, wurden sie seitlich an der Bühne gestapelt, wie an der Westfront.“
Mick und Keith, die Glimmer-Twins, nahmen sich zwar auch mal die Freundin des anderen, doch die gemeinsame Band war immer größer als die persönlichen Konflikte. Das musten sie nach mäßig erfolgreichen Soloprojekten einsehen. Noch immer füllen die Stones Stadien und Parks, auch wenn sie faktisch seit vier Jahrzehnten ein Best-of-Programm spielen. „Ich habe mich sehr dafür interessiert, wie Hitler es schaffte, die Massen zu kontrollieren. Und ich weiß inzwischen mehr darüber als er“, so der Gitarrist mit britischem Humor. Zwei Shows gaben sie diesen Sommer im Hyde Park vor jeweils über 100 000 Zuschauern, 44 Jahre zuvor war das legendäre Konzert am selben Ort, die Totenmesse für Brian Jones und der erste Auftritt vom grandiosen Mick Taylor, noch umsonst gewesen. Aber auch dafür steht die Band: Die Überführung der Subkultur in eine hochkapitalistische Struktur.
Keith, das Gesicht des Rock’n’Roll, den Johnny Depp als Inspiration für seinen Jack Sparrow im „Fluch der Karibik“ nahm, ist auf seine alten Tagen auch ein bisschen müde geworden. Die vorverlegte Feier zum 70. Geburtstag von Jagger im Juli, nach dem letzten Hyde-Park-Konzert, verpasste er: Keith wollte sich im Hotel umziehen. Dabei schlief er ein.
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