Daniil Trifonov spielt Mozarts Klavierkonzert KV 466
Vor gut einer Woche tobte der Gasteig. Daniil Trifonov durchraste das Concerto für Klavier und Bläser von Igor Strawinsky mit rasenden Fingern, ekstatisch entfesselt und zugleich kontrolliert. Und dann kam noch der „Dance infernale“ aus dem „Feuervogel“ – wer dabei war, wird es nicht vergessen. Atemberaubend, unglaublich, wie dieser Russe so virtuos und zugleich hochmusikalisch Klavier spielen kann.
Elf Tage danach die Rückkehr: Diesmal nahm sich der 23-Jährige Mozarts Klavierkonzert KV 466 vor. Er begann, wie es sich gehört, das Solo eher verhalten. Danach legte er die Noten unter das vergrößernde Brennglas. All das, was sich bei Trifonovs Strawinsky nur in übertriebene Superlative fassen ließ, wiederholte sich: Jedes Thema, jede Wendung glitzerte in einer eigenen Farbe und war rhetorisch aufgeladen. Im zweiten Satz bremste Trifonov den heiklen Übergang vom raschen Mittelteil zur Wiederholung des Themas sicher wie eine TÜV-geprüfte Achterbahn. Er verzichtete auf jede Sentimentalisierung, hielt sich an die Überschrift und nahm es als Romanze – ein schlichtes Lied.
Trifonov kann alles. Nur leider macht er es auch. Das ist faszinierend, nur: Was die Musik Strawinskys oder Chopins interpretatorisch bereichert, wirkt bei Mozart schnell als Übertreibung. Bei den Solo-Kadenzen störte Trifonovs Überdeutlichkeit kaum, etwa bei der Zuschärfung des Triolenmotivs – aber diese Kadenzen sind bezeichnenderweise von Beethoven. Und die Bach-Zugabe war eine Bearbeitung der Gavotte aus der dritten Violin-Partita durch Sergej Rachmaninow.
Alte und junge Frische
Im Finale schob Trifonov ein kleines, ungewohntes Solo ein: Es ist an dieser Stelle, wo nur eine Fermate auf einer Pause notiert ist, nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Und da blitzte eine Lösung auf, wie Trifonovs Überdeutlichkeit zu retten wäre: Vielleicht passt sie zu einem ebenfalls rhetorisch phrasierenden Originalklang-Ensemble. Mit dem Mozart-Stil der Academy of St. Martin in The Fields harmonierte es jedenfalls nicht, trotz Trifonovs Absicht, auf das Orchester zu reagieren.
Dabei lässt sich die Frische, die sich dieses Ensemble über die Jahre erhalten hat, nicht genug loben. Mozarts Haffner-Symphonie erklang dramatisch geschärft, aber aus einer reifen Gelassenheit heraus interpretiert, wie sie der mittlerweile 90-jährige Neville Marriner mitbringt. Felix Mendelssohn Bartholdys „Italienische“ litt nach der Pause etwas unter dem langen Nachhall im Gasteig, der wenigstens für die neunte Reihe den Streicherklang unangenehm nachsäuerte. Aber das verlor sich im Lauf des Abends zugunsten einer unaufgeregten Innenspannung, weshalb wir den Ehrentitel des jüngsten der alten Dirigenten nun von Lorin Maazel auf Marriner übertragen müssen.
Wer – wie ich – die Zugabe für die hübsche neoklassizistische Petitesse eines Briten hielt, der irrte sich: Es war der zweite Satz aus Mendelssohns „Reformationssymphonie“. So kann man sich täuschen.
Am 4. 9. spielt Daniil Trifonov mit der Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 im Gasteig. Karten unter Telefon 811 61 91