Daniele Gatti dirigiert Schubert und Webern

Daniele Gatti dirigiert im Herkulessaal das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Franz Schubert und Anton Webern
von  Michael Bastian Weiß
Der Dirigent Daniele Gatti.
Der Dirigent Daniele Gatti. © EPA

Es gibt Menschen, die gnadenlos nett sind. Aber auch Musikstücke. Zum Beispiel die frühen Symphonien von Franz Schubert. Gleich zwei von ihnen hat sich Daniele Gatti für sein aktuelles Gastspiel beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks vorgenommen. Zwar war die Programmplanung abgeschlossen, bevor der italienische Dirigent vor gut zwei Monaten des unangemessenen Verhaltens beschuldigt wurde und umgehend seine Chefposition beim Amsterdamer Concertgebouworkest verlor. Doch im Lichte der jüngsten Ereignisse wirkt die geballte Liebenswürdigkeit dieses Abends im Herkulessaal fast ein wenig wie Imagepflege.

Dabei schöpft Gatti in der Symphonie Nr. 3 D-Dur des 18jährigen Komponisten gar nicht einmal sämtliche Charmeoffensiven aus. Das äußerst sparsame Vibrato der Streicher zeichnet eine eher kühle Atmosphäre, dazu rumpeln trotzig die Bässe. Hier wie auch in der Symphonie Nr. 6 C-Dur des zwanzigjährigen Schubert tut Gatti alles dafür, die einzelnen Episoden mit Sinn aufzuladen und so die mal heimlich vergnügten, mal galanten, mal stolzen Charakterbilder der Musik anschaulich zu machen. Loben muss man die vorschriftsmäßig bedächtigen Tempi, aber es sei auch nicht verschwiegen, dass sich beim Hörer irgendwann eine gewisse Unterforderung einstellt.

Vielleicht wäre es gut gewesen, von Schubert nicht nur jugendlich Harmloses zu berücksichtigen, zumal sich eine krasse Kluft zu den zugegebenen Werken von Anton Webern eröffnet. Sowohl dessen früher „Langsamer Satz“ als auch die „Fünf Sätze“ op. 5 wurden ursprünglich für Streichquartett geschrieben und erklingen hier in Versionen für Streichorchester. Gatti durchlebt sie mit hörbarem Schnaufen als nur mühsam gezügelte, aber organisch entwickelte Seelenergüsse. Seine großzügige Zeichengebung führt dabei leider immer wieder zu Problemen in der Feinabstimmung. Die BR-Streicher treten nicht in der Geschlossenheit auf, die man von diesen Musikern erwarten könnte. Hier wäre weniger Nettigkeit als vielmehr entschlossene Koordination gefragt.

Das Konzert ist in Kürze auf br-klassik.de abrufbar

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