Da brennen die Kulissen
Nur im Herzen der sternflammenden Königin kocht der Hölle Rache noch wilder. In der Arie „D’Oreste, d’Ajace“ aus Mozarts „Idomeneo“ fühlt die um ihr Liebesglück betrogene Elektra die Furien hinter sich. Dem Wahnsinn nah, bricht sie zuletzt in ein wildes, teuflisches Koloratur-Lachen aus, das in der disziplinierten Welt der Opera seria einmalig ist. Da brennen die Pappkulissen, da fliegt der Staub von den Perücken.
Die meisten Sängerinnen sind froh, wenn sie diesen entfesselten Furor einmal anständig hinter sich bringen. Edita Gruberova sang die Nummer sogar zweimal: als Zugabe, nach der auch ziemlich happigen „Felsen“-Arie am Ende des offiziellen Teils. Dann, weil sie kein zweites Stück vorbereitet hatte, wiederholte sie es: wilder, heftiger und exaltierter. Chapeau!
Die Höhe der Gruberova ist gleißend und metallisch wie eh und je. Technisch macht der Slowakin eh keiner was vor – ihre Kunst, Töne an- und abschwellen zu lassen, war schon immer beeindruckend. Natürlich gibt es bei der mittlerweile 67-jährigen Sopranistin auch weniger schöne Töne – etwa die eine oder andere fast gesprochene Passage im tiefen Register und in der Mittellage. Manches ist nicht mehr Kunst, sondern Camp. Aber sie setzt solche Schärfen intelligent zur Charakterisierung ein.
In den alten Rollen ewig frisch
Die Gruberova sang diesmal keine Belcanto-Arien, sondern ausschließlich Mozart: Eine Nummer aus „Mitridate“, „Traurigkeit“ und „Martern aller Arten“ aus der „Entführung“, die Rosen-Arie der Susanna und Donna Annas „Crudele“. Lauter große Sachen also. Als Susanna nahm sie sich sehr zurück, die Anna verstand sie ganz als junges, keusches Mädchen. Der Dirigent Douglas Boyd und das historisierend knackig aufspielende Münchener Kammerorchester begleiteten sie mit rhetorischen, maßvoll freien Tempi.
Natürlich gehört es bei einem solchen Konzert dazu, in Erinnerungen zu kramen. Ich habe die Gruberova als Konstanze zum ersten Mal 1980 im Nationaltheater gehört. Der Bassa war damals der verstorbene Thomas Holtzmann, es dirigierte Karl Böhm. Die „Martern“-Arie singt sie heute so fulminant wie damals. Es ist schon eine beispiellose Karriere – in ihrer Nachhaltigkeit unter den Lebenden nur noch vergleichbar mit Plácido Domingo. Aber der singt heute Väterrollen und nicht mehr heißspornige Söhne, während die Gruberova in ihren alten Rollen frisch geblieben ist.
Diese Frau ist ein Phänomen. Kein Wunder, dass das ausverkaufte Prinzregententheater tobte.