Das Silvesterkonzert der Münchner Philharmoniker
Tradition hat laut Gustav Mahler ein wenig mit Schlamperei zu tun. Und von der gibt es am ersten Abend der nie überprobierten Traditions-Neunten der Münchner Philharmoniker zum Jahreswechsel einen ordentlichen Batzen: etwa im oft wackligen Wechselspiel der Bläser und Streicher im ersten Satz. Es wäre nicht schlecht, wenn jemand diese Stellen einmal ordentlich proben würde. Aber leider steht wegen der Jahreswechsel-Tradition Ludwig van Beethovens letzte Symphonie mit der "Ode an die Freude" seit Jahren nicht mehr regulär auf dem Programm.
Entscheidend ist aber, was ein Dirigent aus den begrenzten Bedingungen dieser rituellen Aufführung macht. Nicholas Collon, als Debütant ins eiskalte Wasser dieses Hauptwerks der Klassik geworfen, holte eine ganze Menge Individuelles heraus.

Der erste Satz erklang kraftvoll und nach vorwärts drängend, mit einer ganz aus der Musik heraus entwickelten schlanken Dramatik und einem knackig-frischen Orchesterklang. Und das machte die Wackler wieder wett.
Der zweite Satz brachte bereits eine Steigerung an Präzision. Das von falscher Feierlichkeit und Edel-Langeweile bedrohte Adagio verstand Collon, damit das Finale vorbereitend, als instrumentalen Gesang der Klarinetten und der übrigen Holzbläser-Gruppe. Ein wenig Mezzavoce hätte der Sache aber gut getan. Dann rief Christopher Maltman machtvoll nach den "anderen Tönen", ohne auch nur eine Note forcieren zu müssen.

Auch die übrigen Solisten (Masabane Cecilia Rangwanasha als Wiedergeburt von Jessye Norman, Karen Cargill und Maximilian Schmitt) hielten dieses Niveau. Selbst der berüchtigte "sanfte Flügel" wurde ungewöhnlich sicher gemeistert.
Der wie immer von Andreas Herrmann einstudierte Philharmonische Chor fügte sich mit schlankem Gesang und mühelos bewältigten Extremen bestens in Collons Konzept. Der heftige Beifall ist bei diesem Ritual zwar obligatorisch. Er darf aber auch als Publikumsvotum verstanden werden, den 41-jährigen Briten auch einmal mit einem normalen Programm kennenzulernen.
Noch einmal an Silvester um 17 Uhr in der Isarphilharmonie, Restkarten an der Abendkasse