Clemens Schuld dirigiert eine umwerfende "Eroica"

Der neue Chefdirigent des Münchener Kammerorchesters dirigiert Bach, Iannotta und Beethoven
Robert Braunmüller |
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Clemens Schuldt dirigiert das Münchener Kammerorchester.
Florian Ganslmeier Clemens Schuldt dirigiert das Münchener Kammerorchester.

Die mit „Reformation“ überschriebene Saison des Münchener Kammerorchesters begann im Prinzregententheater eher gegenreformatisch: Der neue Chefdirigent Clemens Schuldt verstand Johann Sebastian Bachs vierte Orchestersuite als Konzert für drei Trompeten und Orchester – wie in der Zeit vor der Historischen Aufführungspraxis.

Dem lutherischen Prinzip „Sola scriptura“ entspricht das nicht unbedingt: Bach hat kein konzertantes Wechselspiel zwischen Solo und Tutti komponiert. Die drei Trompeten verstärken und färben eigentlich nur den Klang, statt schmetternd hervorzutreten. Die Streicher und Bläser folgten allerdings mit tänzerischer Bewegtheit und klarem Klang bereits der neuen Lehre, die nun auch schon ein halbes Jahrhundert alt ist.

Lesen Sie auch unser Interview mit Clemens Schuldt

Danach folgte ein calvinistischer Bildersturm: In Clara Iannottas „dead wasps in the jam-jar II“ war ein Pizzicato schon die konventionellste Behandlung der Streicher. Die ließen ihre Bögen eher über Styropor gleiten. Mit dem Reiben von Gläsern wurden quasi-elektronische Sinus-Töne erzeugte. An tote Wespen in einem Marmeladenglas erinnerte diese anekdotische Sammlung von Klängen allerdings weniger: eher an quietschende Gartentüren oder Regentropfen auf einem Blechdach.
Helmut Lachenmann light sozusagen, ziemlich verspielt und zugänglicher als der Prophet dieses Stils.

Bei Beethoven hält es Schuldt mit Luther: Ja oder nein, nichts Laues!

Danach wurde es richtig lutherisch. Bei der Eroica hielt sich Schuldt an das Prinzip „Euer Wort sei ja, ja; nein, nein; was darüber ist, ist vom Bösen.“ Bei Beethoven hat der 33-jährige Bremer einen Standpunkt, der sich erfreulich klar von der lauwarmen Beethoven-Routine anderer Orchester dieser Stadt unterscheidet. Schuldt bringt klar und deutlich heraus, wie der Kopfsatz der Symphonie Nr. 3 eher lyrische Themen dramatisch steigert und verdichtet. Er hält energische, aber nie überhetzte Tempi konsequent durch. Den tragischen Zusammenbruch nach der großen C-Dur-Steigerung im Trauermarsch, den Valery Gergiev vor drei Wochen harmlos verplätschern ließ, machte Schuldt zum Dreh- und Angelpunkt der ganzen Symphonie.

Im Scherzo brillierten die drei Hornisten auf ihren ventillosen Instrumenten. Das Finale gelang strahlend und energisch. Die Beethoven-Aufführungen des Münchener Kammerorchesters hatten schon immer eine eigene Qualität. Diese energiegeladene, klare, präzise und zugleich risikofreudige Aufführung wird noch lange im Gedächtnis bleiben. Schuldt hat seine Thesen angeschlagen. Die Reformation kann beginnen.

BR Klassik sendet am 20. Oktober um 20.03 Uhr eine Aufzeichnung. Infos zu den nächsten Konzerten unter www.m-k-o.eu

 

 

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