Claudia Roth besucht "Zaide. Eine Flucht" in der Alten Kongresshalle
MÜNCHEN - An kaum einem Flüchtlingsschicksal lässt sich die Absurdität der deutschen Politik so plastisch darstellen, wie bei dem Fall des afghanische Musikers und Schauspielers Ahmad Shakib Pouya. Drei Abende lang spielte er in den letzten Tagen in der Alten Kongresshalle in der Flüchtlings-Oper „Zaide. Eine Flucht“, einem Projekt nach Mozarts gleichnamigem Fragment. „Der Ausgang ist ungewiss“, waren auf der Bühne seine letzten Worte, dass trifft auch auf sein Leben zu.
Eigentlich sollte Pouya, der seit etlichen jahren in Deutschland wohnt, schon vor den Aufführungen abgeschoben werden. Dann gab es eine Gnadenfrist. Nach aktuellem Stand wird der afghanische Künstler am 20. Januar ins Flugzeug nach Kabul steigen – um einer Abschiebung und der damit verbundenen Wiedereinreisesperre zu entgehen. Auf der gefährlichen Reise begleiten will ihn der Münchner Veranstalter von „Zaide“, Albert Ginthör, der hauptberuflich Geiger im Orchesters des Gärtnerplatztheaters ist. Schließlich, argumentiert er sarkastisch, sei Afghanistan ja ein sicheres Herkunftsland.
Pouya ist ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Wegen seines politischen und sozialen Engagement und bundesweiten Darbietungen, die ihn bis ins Schloss Bellevue zu Bundespräsident Joachim Gauck brachten, wurde Ahmad Shakib Pouya als der „Vorzeige-Flüchtling“ betitelt.
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Bianca Huber, Leiterin der Flüchtlingsberatung der IG Metall in Frankfurt, arbeitet dort gemeinsam mit Pouya, der mehr als ein halbes Dutzend Sprachen spricht, ohne Arbeitserlaubnis aber nur ehrenamtlich tätig sein darf. Sie weiß von der großen Anteilnahme der Medien und der Bevölkerung an Pouyas Schicksal und hofft noch auf ein Wunder – nämlich, dass Bayerns Innenminister Joachim Herrmann Pouya Bleiberecht einräumt, bevor dieser nach Kabul ausreist. „Wenn er gehen muss, dann kann man im Grunde genommen jede Beratungsstelle schließen“, sagt sie. „Das wäre auch ein Schlag ins Gesicht für alle ehrenamtlichen Helfer und alle Menschen, die für die Integration von Flüchtlingen kämpfen.“ Bianca Huber hat große Angst, dass ausgerechnet an Pouya ein Exempel statuiert werden soll. „Aber was soll das denn für eine Botschaft sein außer: Egal wie du dich in diesem Land einbringst, du darfst nicht bleiben.“
Das begreifen sogar viele Politiker nicht: Bayerns ehemaliger Kunstminister Thomas Goppel (CSU) besuchte die „Zaide“-Premiere am vergangenen Mittwoch und sprach danach mit Pouya.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, sagte nach ihrem Opernbesuch am Freitag: „Es wäre ein Zeichen eines starken Staates, wenn Menschen die so viel zu unserer Gesellschaft beitragen und sich ehrenamtlich und künstlerisch engagieren, auch eine Lebensperspektive in Deutschland bekommen. Alle Gründe sprechen eigentlich dafür, dass Shakib Pouya hier bei uns in seiner neuen Heimat bleiben darf. Ich hoffe sehr, dass ein weiterer Aufschub gewährt wird, damit sich die bayerische Härtefallkommission mit Pouyas Antrag befassen kann und ihm ein Bleiberecht einräumen wird. Denn Abschiebungen nach Afghanistan sind völlig unverantwortlich und auch ein fatales Signal. Viele Geflüchtete sind verunsichert und leben in Angst, trotz großer Fortschritte und Integrationsleistungen abgeschoben zu werden. Und viele Engagierte, die sich für die geflüchteten Menschen eingesetzt haben, werden vor den Kopf gestoßen.“
Auch die Deutsche Orchestervereinigung hat sich mit einem Brief an Joachim Herrmann und Landtagspräsidentin Barbara Stamm für Pouya stark gemacht. Aber der Ausgang bleibt ungewiss.