Christina Aguileras Selbsterfahrung durch Pop

Christina Aguilera veröffentlich ihr Album „Lotus“ und zeigt, dass sich ihr neues Körpergefühl durchaus in Musik niederschlagen kann – sieht man von den üblichen Formatradio-Songs ab. 
von  Christian Jooß

Christina Aguilera veröffentlich ihr Album „Lotus“ und zeigt, dass sich ihr neues Körpergefühl durchaus in Musik niederschlagen kann – sieht man von den üblichen Formatradio-Songs ab.

Na gut: Die Single „Your Body“ des neuen Albums „Lotus“ ist die übliche marktkonforme, uninteressante Scheußlichkeit mit Bumms-Beat und kraftvoll charakterloser Hookline, mit der man eben in die Rotation kommt.

Immerhin sehenswert ist das dazugehörige Video, in dem Christina Aguilera als knallbunte Killerqueen durch Amerika zieht, Männer aufreißt, um ihnen beispielsweise einen Baseballschläger über den Schädel zu ziehen, dass, tatsächlich, das Konfetti spritzt. Vergleiche die Schlussmomente von Madonnas Video „Give Me All Your Luvin’“.

Schielen auf Madonnas Dancefloor-Sound

Schon „Let There Be Love“ schielt einen Song weiter immerhin auf Madonnas aktuellen, amtlich zertifizierten, aber aktuell gefloppten Dancefloor-Sound und lässt der überragenden Aguilera-Stimme mehr Raum. Aber wo Madonna als konsequente Selbstkonservatorin den eigenen Kunstkörper gnadenlos zurecht kasteit, unterwirft Aguilera fröhlich ihr Popmodell der eigenen Fülligkeit. Was nicht nur Thema für die Klatschblätter ist, sondern sich als Selbstbewusstsein im neuen Album niederschlägt.

Die Eröffnung mit dem Titelsong ist Musterbeispiel dafür, dass ein konsequent überproduzierter Vokalpart in Kombination mit organischer Perkussion durchaus Trance erzeugen kann. Natürlich ist das Selbstfindung auf Amerikanisch. Aber muss das unintelligent sein? „Du dachtest, ich würde dahinschwinden / als du mich in Stücke brachst / aber ich habe jedem Stück einen Namen gegeben“, singt Christina im machtvoll aufmarschierenden „Army Of Me“. Wär’s nicht Pop, es wäre Poesie.

Überhaupt: Der Anfang dieses Albums überzeugt durchwegs. Wenn sie sich durch den Girlpop von „Red Hot Kinda Love“ lalalat. Wenn sie, unterstützt von Ceelo Green, „Make The World“ rausknallt, dessen diffuses Sixties-Gefühl durchaus seinen Ursprung in der Verwendung eines Samples des italienischen Filmkomponisten Armando Trovajoli haben mag.

Wo bleiben die Balladen? „Sing For Me“ ist stimmlich einen Tick zu sehr Kolloraturarie. Dafür ist „Blank Page“ so durchschlagend schmerzlich, wie es für eine Pop-Großproduktion geht. Aber man kann den Mann, den ewigen Seelenpeiniger, ein paar Nummern weiter, ja auch mal sehr komisch auf dem Mittelfinger rotieren lassen.

Christina Aguilera: „Lotus“ (Sony Music)

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